Entscheidungsstichwort (Thema)

Häusliche Krankenpflege. Erstellung von Sachverständigengutachten durch Wettbewerber eines Leistungserbringers. Anwendbarkeit des GWB. Teil-Rechtsgrundverweisung in § 69 Abs 2 S 1 SGB 5. Anspruch auf strafbewehrte Unterlassungserklärung. Streitwertfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 69 Abs 2 S 1 SGB 5 ist eine Teil-Rechtsgrundverweisung (Anschluss an BSG vom 17.7.2008 - B 3 KR 23/07 R - BSGE 101, 142 = SozR 4-2500 § 69 Nr 4).

2. Wenn eine Krankenkasse einen Wettbewerber eines Leistungserbringers beauftragt, dessen Pflegeleistungen im Sinne von § 37 SGB 5 für einen Versicherten zu begutachten, besteht auch bei - unterstellter - Annahme einer erfolgten Rechtsverletzung dann kein Anspruch auf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn die Vermutung der Wiederholungsgefahr widerlegt ist. Denn bei einem derartigen Sachverhalt greift das insoweit strengere Wettbewerbsrecht, das regelhaft und nahezu immer bei einer eingetretenen Rechtsverletzung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung eröffnet, nicht ein (vgl BGH vom 8.2.1994 - VI ZR 286/93 = NJW 1994, 1281; OVG Münster vom 26.1.2004 - 12 B 2197/03 = NJW 2004, 1611; LSG Essen vom 26.2.2003 - L 11 KA 88/01 - juris).

3. Zum Streitwert bei vier geltend gemachten selbständigen strafbewehrten Unterlassungsansprüchen.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 23. April 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beschwerdeführerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge jeweils auf 20.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin, die darauf spezialisiert ist, intensivpflegerische Leistungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege zu erbringen, wendet sich gegen die Überprüfung der von ihr übernommenen pflegerischen Versorgung der Versicherten M1 (im Folgenden: die Versicherte) durch einen von der Beschwerdegegnerin beauftragten Pflegedienst.

Die Beschwerdeführerin erbrachte jedenfalls für die genannte Versicherte Leistungen der häuslichen Krankenpflege in der Gestalt der Behandlungspflege rund um die Uhr. Diese leidet unter amyotropher Lateralsklerose mit bulbärer Verlaufsform im Spätstadium. Infolge der Erkrankungen kommt es zunehmend zu Lähmungserscheinungen insbesondere der Muskulatur der Extremitäten und des Thorax. Die Versicherte wird deshalb nachts und teilweise auch tagsüber maschinell beatmet. Daneben wird sie mittlerweile durch einen ihr vertrauten Palliativmediziner aus dem “Brückenteam„ des Krankenhauses “S...„ in D. versorgt.

Am 28.10.2007 erlitt die Versicherte eine Panikattacke infolge eines vermeintlich drohenden Erstickungstodes. Sie wünschte daraufhin für künftige Ereignisse dieser Art die Versorgung durch das “Brückenteam„. Dementsprechend stellte sie einen Antrag auf Kostenübernahme für die Versorgung nach § 37 b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Mit Bescheid vom 28.11.2008 bewilligte die Beschwerdegegnerin diese Leistung. In der Begründung dieses Bescheides führte sie unter anderem aus, dass sie (die Beschwerdegegnerin) in Bezug auf die Versicherte bereits von einer optimalen Versorgung ausgegangen sei. Da dies bei dem von der Versicherten beauftragten Pflegedienst - der Beschwerdeführerin - nicht der Fall sei, würden nunmehr die Kosten der Brückenbetreuung übernommen. Um Einblick in den tatsächlichen Hilfsbedarf sowie die optimale Versorgung zu erhalten, kündigte die Beschwerdegegnerin an, die Meinung eines unabhängigen Sachverständigen einzuholen. Dazu solle die R. (ein privater Pflegedienst) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt werden. Die Versicherte wurde gebeten, eine entsprechende Zustimmungserklärung zu unterzeichnen.

Ob die Versicherte zumindest zunächst dem in Aussicht genommenen Vorgehen der Beschwerdegegnerin zugestimmt hatte, ist zwischen den Beteiligten streitig. Mit Schreiben vom 03.03.2009 forderte der frühere Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf. Diese bezog sich auf die von der Beschwerdeführerin so verstandene Behauptung, Krankenschwestern oder sonstige nichtärztliche Leistungserbringer würden in Fällen, die mit dem der Versicherten vergleichbar seien (zur Behebung von durch Panikattacken ausgelöster Atemnot) Medikamente verabreichen; ferner darauf, dass die Beschwerdeführerin die Versicherte nicht optimal versorge und dass Wettbewerber der Beschwerdeführerin - insbesondere die R - als Sachverständigengutachter bezeichnet und ihnen Versichertendaten von Patienten der Beschwerdeführerin zugänglich gemacht würden.

Nachdem die Beschwerdegegnerin diesen Forderungen nicht nachgekommen war, hat die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Dresden (SG) am 09.03.2009 den Erlass einer darauf gerichteten einstweiligen Anordnung beantragt und ihre Forderungen dahin erweitert, dass der Beschwerdeführerin untersagt werden solle, Wettbewerber der Beschwerdeführerin mit der Erstellung von Sachverständigengutachten zu beauftragen, die sich a...

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