Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Rechtsanwaltsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Nach der BRAGO bestimmt sich bei Rahmengebühren die Gebühr des Rechtsanwalts nach der Bedeutung der Angelegenheit, dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und den Vermögens- und Einkommensverhältnissen des Auftraggebers.
2. Die Höchstgebühr ist dann gerechtfertigt, wenn eine besonders umfangreiche und schwierige Sache vorgelegen hat. In Verfahren vor den Sozialgerichten löst eine Rentenangelegenheit regelmäßig nicht die Höchstgebühr aus. Grundsätzlich ist eine um 20 % erhöhte Mittelgebühr anzusetzen.
Tenor
Auf die Beschwerde wird die im Wege der Prozesskostenhilfe zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers aus der Staatskasse auf 561,24 € festgesetzt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt für die Vertretung der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren wegen Erwerbsminderungsrente die Höchstgebühr nach § 116 Abs. 1 Ziff. 1 in Höhe von 660,00 € oder nur eine um 5 % erhöhte Mittelgebühr zusteht. Streitig ist darüber hinaus die Dokumentenpauschale nach § 27 BRAGO.
Am 29.09.2003 erhob der Beschwerdeführer (Bf.) im Namen der Klägerin Klage zum Sozialgericht Chemnitz gegen einen Bescheid der Beklagten vom 16.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2003, mit welchem ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente verneint worden war. Er beantragte zunächst Akteneinsicht und fertigte insgesamt 227 Kopien (Verwaltungsakte, Unterlagen der Klägerin).
Das Verfahren endete durch Klagerücknahme, nachdem ein psychiatrisches Gutachten einschließlich ergänzender Stellungnahme eingeholt und umfangreiche medizinische und berufskundliche Unterlagen beigezogen worden waren.
Mit Beschluss vom 18.03.2004 war der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Raten bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet worden.
Mit Schreiben vom 02.02.2005 beantragte der Bf. die Festsetzung seiner Vergütung gegenüber der Staatskasse wie folgt:
|
1. Gebühr nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO |
660,00 € |
2. Fahrtkosten gemäß § 28 BRAGO |
26,88 € |
3. Kopierkosten gemäß § 27 BRAGO für 227 Kopien |
76,55 € |
4. Postpauschale gemäß § 26 BRAGO (Pauschsatz) |
20,00 € |
Summe |
783,43 € |
Umsatzsteuer gemäß § 25 Abs. 2 BRAGO |
125,35 € |
Gesamtbetrag |
908,78 € |
Mit Beschluss vom 25.04.2005 setzte das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 447,10 € fest. Als Gebühr gemäß § 116 Abs. 1 BRAGO wurde lediglich eine um 5 % erhöhte Mittelgebühr angenommen, Reisekosten und Abwesenheitsgeld wurden als nicht erstattungsfähig angesehen und als Fotokopiekosten gemäß § 27 BRAGO wurden 29,95 € (für 88 notwendige Kopien) angesetzt. Es sei nicht zulässig, ganze Behördenakten abzulichten ohne Rücksicht auf Inhalt und Bedeutung der einzelnen Seiteninhalte.
Auf die Erinnerung des Bf. wurde der Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die anwaltliche Vergütung auf 480,97 € festgesetzt.
Hinsichtlich der um 5 % erhöhten Mittelgebühr folgte das Gericht der Urkundsbeamtin; anders als in dem Beschluss vom 25.04.2005 wurden jedoch die geltend gemachten Reisekosten und das Abwesenheitsgeld (§ 28 Abs. 2 und Abs. 3 BRAGO) mit 28,88 € (also 2,00 € mehr als beantragt) berücksichtigt.
Mit der - zulässigen - Beschwerde macht der Bf. geltend, nach der Rechtsprechung des LSG Thüringen sei in einem Normalfall für eine Streitigkeit über eine Dauerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Höchstgebühr anzusetzen.
Die Kürzung auf 88 Kopien sei nicht zulässig, da nicht aus der Sicht nach Abschluss des Verfahrens zu entscheiden sei, wie viele Kopien tatsächlich notwendig gewesen seien. In der Beschwerdeschrift vom 15.08.2005 reduziert der Bf. seine Forderung auf insgesamt 832,22 €.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als die Vergütung auf insgesamt 561,24 € festzusetzen ist.
Die Vergütung des Bf. richtet sich im vorliegenden Fall nach der BRAGO, weil ihm der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit noch vor dem 01.07.2004 erteilt wurde (§§ 60, 61 Abs. 1 Satz 1 RVG). Das Verfahren der Beschwerde richtet sich hingegen bereits nach dem RVG, da die Beschwerde erst nach dem 01.07.2004 erhoben wurde (§ 61 Abs. 1 Satz 2 RVG).
Der Anspruch des Beschwerdeführers gegenüber der Staatskasse auf die Verfahrensgebühr ergibt sich deshalb aus § 121 BRAGO i.V.m. den §§ 116 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 12 Abs. 1 BRAGO.
§ 12 BRAGO bestimmt, dass bei Rahmengebühren der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. § 12 Abs. 2 BRAGO schreibt...