Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. vorherige Zusicherung. Umzugskosten und Mietkaution. Erforderlichkeit des Umzuges. bevorstehende Geburt eines Kindes. unbeheizbares Bad, Ofenheizung und Schimmelbildung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zusicherung zum Umzug gem § 22 Abs 2 bzw 3 SGB 2 setzt die Erforderlichkeit bzw Notwendigkeit des Umzugs voraus. Die Erforderlichkeit bzw Notwendigkeit wird dabei nach einem grundsicherungsrechtlichen Maßstab bemessen, der strenger ist als das, was den Erwartungen der mit durchschnittlichem bzw gehobenem Einkommen ausgestatteten Bevölkerungskreise entspricht.
2. Ein Umzug ist ua erforderlich bzw notwendig bei Summierung unterwertiger Wohnverhältnisse. Eine solche liegt vor, wenn - bei einer Bedarfsgemeinschaft mit Neugeborenem - die Wohnung lediglich über ein nicht beheizbares Bad sowie die übrigen Räume lediglich über Ofenheizung verfügen und die Wohnungswände teilweise von Schimmel befallen sind.
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 05.11.2009 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung M.straße 29 in L. zu erteilen, Umzugskosten in Höhe von 75,00 € als Zuschuss und die Mietkaution in Höhe von 568,00 € als Darlehen zu gewähren.
II. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Erteilung einer Zustimmung zum Umzug, die vorläufige Übernahme von Umzugskosten als Zuschuss und einer Mietkaution als Darlehen.
Die 1982 geborene Antragstellerin zu 1 (Ast. zu 1) und der 1979 geborene Antragsteller zu 2 (Ast. zu 2) beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Antragsgegnerin (Ag.). Die Ast bewohnen eine 92 m² große Dreizimmerwohnung an der Ecke G.-Sch. -Straße/E.straße in L.. Diese Wohnung verfügt über eine Ofenheizung und ein nicht beheizbares Bad. Küche und Bad der Wohnung sind von Schimmel befallen. Die Ast. zahlen hierfür eine Kaltmiete in Höhe von 184,00 €/Monat und Nebenkosten in Höhe von 101,20 €/Monat zuzüglich der Kosten für Brennstoffe.
Am 14.07.2009 zeigten die Ast. der Ag. die Schwangerschaft der Ast. zu 1 an. Voraussichtlicher Geburtstermin sei der 13.01.2010.
Am 20.07.2009 beantragten die Ast. die Erteilung der Zustimmung zum Umzug in die 67,57 m² große Dreizimmerwohnung M.straße 29 in L., die Übernahme der Umzugskosten in Höhe von 75,00 € und die Gewährung eines Darlehens für die Mietkaution in Höhe von 568,00 €. Für die Wohnung seien eine Kaltmiete in Höhe von 284,00 €/Monat, Nebenkosten in Höhe von 87,84 €/Monat und Heizkosten in Höhe von 67,57 €/Monat zu entrichten.
Die Ag. lehnte die Erteilung der Zustimmung zum Umzug und die Übernahme der Umzugskosten und der Kaution mit Bescheid vom 24.07.2009 ab. Die Wohnung sei zwar angemessen, jedoch bestehe keine Notwendigkeit des Umzugs, da die Ast. bereits über ausreichenden Wohnraum verfügten.
Im Widerspruchsverfahren machten die Ast. geltend, der qualitative Zustand ihrer Wohnung mache einen Umzug erforderlich. In der Küche und im Bad sei Schimmelbildung vorhanden. Hiervon bzw. durch die Bekämpfung der Schimmelbildung mit chemischen Mitteln gehe eine Gesundheitsgefahr für die hochschwangere Ast. zu 1 bzw. das Kind aus. Das Bad sei nicht, die übrige Wohnung nur durch Ofenheizung beheizbar. Zudem befinde sich die Wohnung an der Ecke G.-Sch.-Straße/E.straße. Alle Fenster gingen zur Straßenseite hinaus. Es bestehe auf Grund des regelmäßigen Straßenbahnverkehrs auf der G.-Sch.-Straße ein extremer Lärmpegel. Den Widerspruch der Ast. wies die Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2005 zurück. Hiergegen haben die Ast. am 23.10.2009 Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben.
Am selben Tag haben sie beim SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Zur Glaubhaftmachung des extremen Lärmpegels haben sie eine veröffentlichte Lärmkarte beigefügt. Die Reservierungsvereinbarung für die neue Wohnung sei zeitlich befristet.
Das SG hat den Antrag der Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 05.11.2009 abgelehnt. Die Ag. sei nicht zur Erteilung einer Zusicherung zum Umzug in die neue Unterkunft verpflichtet. Die Ast. bewohnten mit 92 m² eine auch für drei Personen ausreichend große Wohnung. Da die Wohnung bereits seit Mietbeginn von Schimmel befallen sei und die Ast. sich dennoch seit Jahren in der Wohnung aufhielten, sei die Erforderlichkeit eines unverzüglichen Umzugs nicht gegeben. Der Mietmangel sei gegenüber dem Vermieter geltend zu machen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Ast. am 12.11.2009 zugestellten Beschluss hat dieser am 20.11.2009 Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt.
Die...