Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist weder eine nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 ausnahmsweise nicht als Einkommen anzusehende Leistung, noch ist sie einer solchen im Wege der analogen Anwendung der Ausnahmevorschriften gleichzustellen.

2. Es handelt sich bei der Verletztenrente auch nicht um zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 oder um eine Entschädigung nach § 11 Abs 3 Nr 2 SGB 2.

3. Eine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten - auch des Beschwerdeverfahrens - sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer (Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem 2. Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ohne Anrechnung oder nur teilweiser Anrechnung der ihm gewährten Verletztenrente. In diesem Beschwerdeverfahren ist die Höhe der Leistungen ab dem 01.11.2005 streitig.

Der 1953 geborene Bf. erhielt nach Feststellung der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit (MdE um 20 von 100) von der Maschinenbau- und Metallberufsgenossenschaft (MMBG) seit 1986 eine Verletztenrente. Seit 2003 betrug der monatliche Zahlbetrag 442,83 €.

Die Beschwerdegegnerin (Bg.) gewährte dem Bf. seit Januar 2005 Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II. Auf Antrag des Bf. auf Weitergewährung der Grundsicherungsleistung erließ die Bg. den Bescheid vom 07.07.2005 (Bl. 91 ff. VA). Nach der dort vorgenommenen Berechnung habe der Bf. für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.10.2005 Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 236,32 €.

Am 16.09.2005 erließ die Bg. einen “Änderungsbescheid„, durch welchen die Zahlung der Leistungen der Grundsicherung - ohne nähere Begründung - für Oktober auf 94,24 € gemindert wurde.

Am 05.10.2005 stellte der Bf. einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz mit dem Ziel, Leistungen der Grundsicherung in unveränderter Höhe über den 30.09.2005 hinaus zu erhalten. Die Bg. wertete den Eilantrag als Widerspruch, welchen sie mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005 (W 14239/05) zurückwies. Darin führte sie u. a. aus, die Verletztenrente des Bf. sei abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 € in Höhe von 412,83 € bedarfsmindernd zu berücksichtigen.

Hiergegen hat der Bf. eingewandt, er könne über die Verletztenrente nicht mehr frei verfügen, da er diese 1994 an die Raiffeisenbank in W. zur Begleichung seiner Schulden abgetreten habe.

Auf den Antrag des Bf. auf Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen erließ die Bg. im weiteren Verlauf den Bescheid vom 17.11.2005. Mit diesem bewilligte sie dem Bf. auch für die Zeit vom 01.11.2005 bis 30.04.2006 - unter Anrechnung der Verletztenrente - Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 94,24 €.

Die gesamte Verletztenrente wird von der MMBG auf das eigene Konto des Bf. bei der Volksbank Oberberg e. G., Konto-Nr. ..., ausgezahlt. Eine von dritter Seite angezeigte Verfügungsbeschränkung des Bf. über diese Verletztenrente liegt nicht vor.

Mit Beschluss vom 17. Januar 2006 hat das Sozialgericht Leipzig (SG) den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Es fehle sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch einem Anordnungsgrund. Denn es sei nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Bf. einen Anspruch auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung der Verletztenrente habe. Nach § 11 Abs. 1 SGB II gehörten zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Dies träfe daher auch auf die Verletztenrente zu. Die hierzu angegebene Abtretung zur Tilgung von Schulden sei als freiwillige Disposition im Hinblick auf die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen. Eine Verfügungsbeschränkung des Bf. liege nicht vor.

Hiergegen hat der Bf. am 27.01.2006 Beschwerde eingelegt. Das SG hat dieser nicht abgeholfen.

Von einer monatlichen Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. in Höhe von 442,83 € sei zumindest ein Teilbetrag von 70,00 € gemäß § 11 Abs. 3 SGB II nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Wie bereits das Sozialgericht Hamburg (Beschluss vom 24.01.2006 Az.: S 55 AS 1404/05, JURIS, S. 2)entschieden habe, habe die Verletztenrente nicht bloß die Funktion, einen Einkommensausfall zu kompensieren; darüber hinaus solle sie auch einen immateriellen Schaden ausgleichen. Diese Wertung werde in § 31 Abs. 1 Satz 1, 1. Alternative Bundesversorgungsgesetz (BVG) deutlich.

Darüber hinaus vertritt die Bf. die Auffassung, die Verletztenrente sei in seinem Fall gar kein zu berücksichtigendes Einkommen.

Der Bf. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.01.2006 aufzuheben und die Bg. - im Wege der einstweiligen Anordnung - zu verpflichten, dem Bf. ab dem 01.11.2005 L...

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