Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Versicherungspflicht bzw -freiheit eines mitarbeitenden GmbH-Gesellschafters mit 50-prozentiger Beteiligung ohne Geschäftsführerstellung
Leitsatz (amtlich)
Ein mitarbeitender GmbH-Gesellschafter, der nicht zum Geschäftsführer bestellt ist, kann Weisungen des Geschäftsführers grundsätzlich nur aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte verhindern. Die Rechtsmacht des mitarbeitenden Gesellschafters mit 50-prozentiger Beteiligung ohne Geschäftsführerstellung unterscheidet sich insoweit entscheidend von der Rechtsmacht eines Gesellschafters mit Geschäftsführerstellung und 50-prozentiger Beteiligung.
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 7a Abs. 1 S. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1; SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; SGB III § 25 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 35 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 1
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin bei der Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis 2. September 2015 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Die 1968 geborene Klägerin ist ausgebildete Kindergärtnerin und war in der Zeit von 1995 bis 2004 als Erzieherin tätig. Ab 1. Oktober 2005 war sie bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 23. September 2005 war die Klägerin als Sachbearbeiterin beschäftigt und der Arbeitgeber berechtigt, ihr eine andere Tätigkeit zuzuweisen, soweit dies betriebsnotwendig sei (§ 1 des Vertrages). Vereinbart war eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.800,00 EUR brutto bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche (§ 2 des Vertrages). Sie hat Anspruch auf jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen, der in einem Urlaubsplan in Abstimmung mit dem Arbeitgeber festgelegt werde (§ 3 des Vertrages). § 4 regelt Fragen der Benachrichtigungen im Fall der Krankheit des Arbeitnehmers. Nach § 7 Satz 1 des Vertrages bedürfen Änderungen des Vertrages der Schriftform.
Die Beigeladene zu 1 ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Service, die Vermietung und der Vertrieb von Arbeitsbühnen ist. Sie wurde 1995 gegründet und zum 1. Januar 2005 durch Kaufvertrag von der Klägerin und ihrem damaligen Lebensgefährten Y.... erworben. Auf den Kaufpreis von 400.000,00 EUR leistete die Klägerin eine Anzahlung in Höhe von 80.000,00 EUR und Herr Y.... 40.000,00 EUR. Der Rest des Kaufpreises wurde in monatlichen Raten und die Schlussrate u.a. durch ein Darlehen der Gesellschaft finanziert. Zunächst hielt Herr Y.... 90 Prozent der Gesellschaftsanteile und die Klägerin 10 Prozent. Die Gesellschafterversammlung beschloss am 30. Juli 2009, dass 40 Prozent des Herrn Y.... gehörenden Anteils auf die Klägerin übertragen werden. Als Gegenleistung sollten die seinerzeit beim Erwerb zugesteuerten 80.000,00 EUR zu 50 Prozent auf den jetzigen Übertragungsvorgang angerechnet werden, zum anderen der durch die gleichberechtigte Mitarbeit entstandene Wertzuwachs an der Firma. Dieser Beschluss wurde mit notariellem Vertrag vom 30. September 2009 rückwirkend zum 1. Juli 2009 vollzogen. Am 10. Juli 2012 kam es zu einer Verschmelzung der Klägerin mit der Arbeitsbühnen X.... GmbH im Wege von deren Aufnahme (HRB 11556). An den Beteiligungsverhältnissen hat sich durch die Verschmelzung nichts geändert.
Der Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen zu 1 sieht eine Gewinnverteilung im Verhältnis zur Stammeinlage vor, wobei über die Ausschüttung des Gewinns die Gesellschafterversammlung entscheidet. Gemäß § 9 bedarf der Geschäftsführer der Zustimmung der Gesellschafterversammlung zu allen Geschäften, die über den gewöhnlichen Betrieb hinausgehen. Das Stimmrecht in den Gesellschafterversammlungen ist nicht gesondert geregelt, so dass insoweit die gesetzliche Regelung des § 47 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gilt. Geschäftsführer ist seit 1. Januar 2005 der Gesellschafter Y....; er ist alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit.
Die Beigeladene zu 1 meldete die Klägerin seit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses zur Sozialversicherung an und leistete Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.
Am 29. Januar 2010 beantragten die Klägerin und die Beigeladene zu 1 bei der Beklagten die Feststellung, dass ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorliege. Sie gaben an, dass die Klägerin als Bürokraft tätig sei, in dieser Tätigkeit Rechnungen schreibe, Angebote erstelle und Telefonate führe sowie die Post erledige, dass sie am Betriebssitz der Beigeladenen zu 1 arbeite und regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten einzuhalten habe, nämlich acht Stunden täglich und 40 Stunden wöchent...