Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens entschieden werden.

2. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist auch noch möglich, wenn das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass vor dem Abschluss des Verfahrens ein formell ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden ist und der Antrag entscheidungsreif war.

3. In einem gerichtskostenfreien Verfahren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn ein Rechtsanwalt zu keinem Zeitpunkt in dem abgeschlossenen Verfahren tätig geworden ist.

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 3. Mai 2011 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Über die Beschwerde kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senates auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Klageverfahrens, entschieden werden (vgl. zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Beschwerdeentscheidung nach rechtskräftigem Abschluss des vorausgegangenen Hauptsacheverfahrens: SächsLSG, Beschluss vom 15. Februar 2010 - L 3 AS 570/09 B PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 73a Rdnr. 12c; Knittel, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [18. Erg.-Lfg., September 2010], § 73a Rdnr. 72a; vgl. auch LSG Niedersachsen, Beschluss vom 15. Mai 1995 - L 8 S (Vs) 52/95 - Breithaupt 1995, 735). Denn die Frage, ob der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken, und die Frage, ob der Bevollmächtigte beigeordnet werden konnte mit der Folge, dass der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Auslagen und Gebühren gemäß § 45 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) entstehen konnte, betrifft nicht die Zulässigkeit der Beschwerde, sondern deren Begründetheit.

II. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 3. Mai 2011, mit dem der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und insbesondere die Beiordnung eines Rechtsanwaltes abgelehnt worden ist, ist wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und damit gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 572 Abs. 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu verwerfen.

Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzung und muss bei jeder Rechtsverfolgung, das heißt jedem an ein Gericht adressierten Antrag, vorliegen. Demnach hat nur derjenige einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtschützwürdiges Interesse verfolgt. Das Gericht muss in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen prüfen, ob das Rechtsschutzbedürfnis (noch) vorliegt (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 3. März 2008 - L 3 B 187/07 AS-ER - JURIS-Dokument Rdnr. 7).

In diesem Sinne fehlt der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis, weil es in Bezug auf das Klageverfahren, das unter dem Az. S 5 AS 1383/11 geführt und mit Gerichtsbescheid vom 26. Mai 2011 abgeschlossen worden ist, kein berechtigtes Interesse gibt, rückwirkend Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn vorliegend ist eine rückwirkende Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das abgeschlossene Klageverfahren ausgeschlossen. Auch aus sonstigen Gründen besteht kein Rechtsschutzinteresse für eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können. Vergütungsansprüche eines Rechtsanwaltes gegen die Klägerin sind aber nicht entstanden und können auch nicht mehr entstehen. Zwar ist grundsätzlich eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts auch noch möglich, wenn das Hauptsacheverfahren abgeschlossen ist. Voraussetzung ist, dass vor dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens ein formell ordnungsgemäßer Prozesskostenhilfeantrag gestellt worden ist und entscheidungsreif war (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 26. Juli 2005 - L 3 B 50/05 AL-PKH - JURIS-Dokument Rdnr. 17; Leitherer, a. a. O., § 73a Rdnr. 11a, m. w. N.; Knittel, a. a. O., § 73a Rdnr. 53, m. w. N.; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe [5. Aufl., 2010], Rdnr. 508, m. w. N.; Schoreit/Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe [10. Aufl., 2010], II § 119 Rdnr. 24, m. w. N.). Dies war hier der Fall.

Gleichwohl fehlt der Klägerin das Rechtsschutzinte...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?