Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbemessung in der Sozialversicherung. zur Ermittlung des Arbeitsentgelts gemäß § 14 Abs 1 SGB 4, wenn ein Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Mindestlohngesetz anstelle von Geld nur Sachzuwendungen erhalten hat. hier: Firmenwagen. Entstehungsprinzip. Zuflussprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Grundsätzlich gilt für die Feststellung der Versicherungspflicht und die Beitragsbemessung nach dem laufenden Arbeitsentgelt das Entstehungsprinzip (zB BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2), jedoch ausnahmsweise das Zuflussprinzip, wenn dem Arbeitnehmer - ggf neben dem geschuldeten Arbeitsentgelt zusätzlich - nicht geschuldetes Arbeitsentgelt - zB eine überobligatorische Zahlung - tatsächlich zufließt, sofern es sich nicht lediglich um eine irrtümliche Zahlung handelt (vgl BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R aaO; vom 7.2.2002 - B 12 KR 13/01 R = SozR 3-2400 § 14 Nr 24; zu einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vgl dagegen § 22 Abs 1 S 2 SGB IV).
2. Jedoch können Entstehungsprinzip und Zuflussprinzip bei der Ermittlung des laufenden Arbeitsentgelts für den gleichen Abrechnungszeitraum nicht miteinander kombiniert werden; sie schließen sich gegenseitig aus, da sie auf unterschiedliche Anknüpfungspunkte abstellen.
3. Grundsätzlich ist daher auch bei tatsächlichem Zufluss nicht geschuldeten laufenden Arbeitsentgelts zunächst das Arbeitsentgelt nach dem Entstehungsprinzip zu ermitteln, dh nach der Summe aller für den betreffenden Abrechnungszeitraum rechtlich geschuldeten Leistungen, ohne dass es auf das Erlöschen der Ansprüche (Erfüllung usw) ankäme. Erst wenn die Summe der für den Abrechnungszeitraum zugeflossenen Leistungen die Summe der geschuldeten Leistungen übersteigt (also mehr zufließt als geschuldet wird), ist für die Beitragsbemessung die Summe der zugeflossenen Leistungen maßgeblich (vgl auch LSG Essen vom 19.6.2024 - L 8 BA 111/20).
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 18. Juli 2024 aufgehoben und es wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 9. Februar 2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.Januar 2024 angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen trägt die Antragsgegnerin.
III. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 3.826,24 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 09.02.2024 gegen den Prüfbescheid der Antragsgegnerin vom 31.01.2024, mit dem diese Gesamtsozialversicherungsbeiträge, Umlagen und Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 15.304,96 € für die Zeit vom 01.01.2019 bis 30.06.2023 festgesetzt hatte.
Unternehmensgegenstand der Antragstellerin (eingetragen unter HRB ..., Amtsgericht ...)ist u.a. die Vermittlung von Immobilien, die Vorbereitung oder Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr oder Baubetreuer, der Erwerb, die Veräußerung und die Verwaltung von Grundstücken aller Art sowie die Projektentwicklung für Immobilien.
Am 21.01.2014 schloss die Antragstellerin mit dem Altersrentner C…. für die Zeit ab 01.02.2014 einen Arbeitsvertrag als Hausmeister auf unbestimmte Dauer ab. Als monatliches Arbeitsentgelt waren gemäß § 2 des Arbeitsvertrags 435,68 € brutto vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete einvernehmlich am 31.05.2019.
Des Weiteren schloss die Antragstellerin am 15.05.2019 mit D…., die bei einem anderen Arbeitgeber eine Vollzeitbeschäftigung ausübte, für die Zeit ab 01.06.2019 einen Arbeitsvertrag als Reinigungskraft (Grünanlagenpflege) auf unbestimmte Dauer ab. Unter § 2 des Arbeitsvertrags war bestimmt, dass das monatliche Arbeitsentgelt 424,01 € brutto betrage und die Zahlung durch eine "Kfz-Nutzung vollständig abgegolten“ werde.
Anstelle einer Lohnzahlung überließ die Antragstellerin beiden Arbeitnehmern einen Firmenwagen zur privaten Nutzung (VW Tiguan, Listenpreis 38.900,00 € inkl. Umsatzsteuer [auf volle Hundert abgerundet]). Der Höhe nach entsprach der vereinbarte monatliche Bruttolohn den von der Antragstellerin errechneten geldwerten Vorteilen für die PKW-Nutzung nach der pauschalen Nutzungswertermittlung (1 %-Methode gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz [EStG]; 1 % des Bruttolistenpreises von 38.925,00 € = 389,00 €) sowie für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte in Höhe von 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer (§ 8 Abs. 2 Satz 3 EStG; bei C 46,68 € [4 km]; bei D 35,01 € [3 km]).
Den nach § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelten geldwerten Vorteil aufgrund der Bereitstellung eines Firmenwagens in Höhe des vertraglich vereinbarten Bruttolohns abzüglich der gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschalversteuerten Einnahmen legte die Antragsgegnerin gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) als Bemessungsgrundlage für die Abführung der Pauschalbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzliche...