Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Höhe des Regelbedarfs. räumlich getrennt lebende Ehegatten. kein Scheidungs- bzw Trennungswille. Auslegung des Begriffs des dauernden Getrenntlebens bei Ehegatten. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Ausnahmefall, der an Stelle von § 20 Abs 4 SGB II eine analoge Anwendung des § 20 Abs 2 S 1 SGB II gebietet könnte, liegt nicht vor, wenn beide Eheleute erwerbsfähig sind, beide dem Leistungssystem des SGB II unterfallen, freiwillig getrennt zwei Wohnungen, die in nicht allzu weiter räumlicher Entfernung voneinander liegen, bewohnen und an der Ehe festhalten.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 20 Abs 4 SGB II in Bezug auf räumlich getrennt, aber nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten.

3. § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG gilt unmittelbar nur für die Ermittlung der Regelbedarfe im Sinne des § 28 SGB XII, nicht aber, auch nicht auf Grund einer entsprechenden Anwendung, für § 20 Abs 4 SGB II.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe des nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) dem Kläger vom 1. November 2014 bis zum 31. März 2015 zu zahlenden Regelbedarfes.

Der am 1953 geborene Kläger lernte seine spätere Ehefrau, die am 1959 geborene C..., 1998 kennen und war mit ihr seit 1999 verlobt. Im gleichen Jahr eröffnete C... als Alleininhaberin gemeinsam mit dem Kläger in A... eine Gaststätte. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger als Unternehmensberater tätig. Die erste gemeinsame Wohnung bezogen sie im Jahr 2000 oder 2001. Zwei oder drei Jahre später zogen sie gemeinsam in eine größere Wohnung in A... in die Nähe der Gaststätte. Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen von C... ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ca. zwei oder drei Jahre vor der Insolvenzeröffnung zogen beide bereits gemeinsam innerhalb von A... in eine kleinere Wohnung um.

Der Kläger und C... gaben aufgrund der finanziellen Probleme spätestens 2011 den Betrieb der Gaststätte in A... auf und verlegten gemeinsam ihren Wohnsitz nach Y... (Sachsen), wo der Kläger schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Garten mit Finnhütte im Kleingartenverein “U...” e.V. Y... gepachtet hatte. Das Sächsische Melderegister weist die X... in Y... als neue Wohnadresse der späteren Ehefrau des Klägers ab dem 1. Juli 2011 und des Klägers ab dem 1. November 2011 aus. C... betrieb mit Hilfe des Klägers unter dieser Adresse erneut kurzzeitig eine Gaststätte. Ca. im Mai 2012 wurden im Zuge des Insolvenzverfahrens in der X... die Schlösser ausgetauscht. Der Kläger und C... zogen im August oder September 2012 aus der Wohnung aus und bezogen, da die Beziehung in eine Krise geraten war und sie "nicht mehr so aufeinander hängen" konnten, getrennte Wohnungen.

C... beantragte erstmals am 15. Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Nachdem sie zunächst durch Bekannte aufgenommen worden war, zog sie ausweislich des Sächsischen Melderegisters am 1. April 2013 in eine Einraumwohnung in Y... wo sie immer noch lebt.

Der Kläger beantragte erstmals am 2. November 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Er war ausweislich des Sächsischen Melderegisters seit dem 22. November 2012 bis zum 1. Januar 2015 in Y..., W..., in einem Flachbau und ehemaligen Jugendtreff, mit zwei Zimmern und Toilette wohnhaft.

Die beiden neuen Wohnungen in der W... und V... liegen ca. 1,8 km voneinander entfernt. Der Kleingartenverein „U...“ liegt wenige hundert Meter und wenige Gehminuten von der V... entfernt.

Am 30. Januar 2014 schlossen der Kläger und C... den Bund der Ehe. Maßgebender Grund für die Eheschließung war der damit mögliche Wechsel von C... von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung. Zudem war der Kläger nach dem lange Zeit bestehenden Verlöbnis nach dem Ende der Gaststätten der Meinung, dass „sie irgendetwas etwas von mir bekommen sollte, zum Beispiel eine Witwenrente“. Das Paar hatte zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die Partnerschaft und nachfolgend die geschlossene Ehe zu beenden und sich zu trennen.

Im Ergebnis einer erheblichen Betriebskostennachforderung und einer daraufhin im Frühjahr 2014 veranlassten Stromsperre zog der Kläger Ende 2014 aus der Wohnung in der W... aus und bewohnt seit dieser Zeit, nur noch die Finnhütte im Kleingartenverein "U...". Er ist unter wechselnden Anschriften, zeitweise unter der Anschrift seiner Schwiegermutter in T... und nunmehr unter einer Anschrift in A..., amtlich gemeldet.

Die Eheleute bewohnen seit dem Auszug aus der Wohnung in der Y... Ende 2012 bis heute getrennte Wohnungen, führen wirtschaftlich getrennte Haushalte und sahen sich 2014 und 2015 sporadisch ca. zwei bis dreimal in der Woche in den Wohnungen und im Garten, wobei der Kläger angab, in dieser Z...

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