Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. vorzeitige Inanspruchnahme. Stichtagsregelung. Kündigung. Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Senat schließt sich der Auffassung des 5. Senats des BSG vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 2 und BSG vom 12.12.2006 - B 13 RJ 19/05 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 11, dass § 237 Abs 4 S 1 Nr 1 Buchst b und S 2 im Fall eines am Stichtag noch nicht arbeitslosen und auch noch nicht gekündigten Versicherten verlangt, dass am Stichtag eine ihn bindende Vereinbarung zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vorgelegen haben muss.

2. Zur Verfassungsmäßigkeit der Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren bei einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Entgegen BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 5/05 R, BSG vom 23.8.2005 - B 4 RA 28/03 R, BSG vom 28.10.2004 - B 4 RA 7/03 R, B 4 RA 50/03 R, B 4 RA 64/02 R, B 4 RA 3/03 R, B 4 RA 42/02 R).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 05.05.2009; Aktenzeichen B 13 R 77/08 R)

 

Tenor

I.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 22. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Zugangsfaktor bei der Berechnung der dem Kläger gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu Recht aufgrund vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente gekürzt worden ist.

Der ... 1939 geborene Kläger war ausweislich des Versicherungsverlaufs seit April 1965 versicherungspflichtig beschäftigt. Zuletzt stand er seit 1992 bis zum 31.05.1997 bei der Firma H AG, Blechbearbeitungsmaschinen, B (Schweiz) als deren Repräsentant und Leiter des Büros D in einem Beschäftigungsverhältnis. Mit Schreiben vom 24.11.1995 bot sein Arbeitgeber dem Kläger für die bisher von ihm in Deutschland bearbeiteten Gebiete Sachsen, Thüringen, nördliches Sachsen-Anhalt, B und östliches Brandenburg die Generalvertretung für die Produkte, Ersatzteile und Werkzeuge der H AG, B als freier Vertreter an. In dem Schreiben wird weiter ausgeführt:

"Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass die Marktsituation uns kurzfristig dazu zwingen könnte, unsere in den EU-Staaten unterhaltenen eigenen Kundenberatungs- und Vertriebsbüros zu schließen und unseren Mitarbeitern zu kündigen.

...

Um die Budgetplanung für 1996 abschließen zu können, müssen Sie uns Ihre verbindliche Entscheidung bis zum 15.12.1995 mitteilen! Danach gehen wir davon aus, dass das bisherige Arbeitsverhältnis beibehalten bleiben soll."

Das Angebot der Übernahme einer freien Generalvertretung lehnte der Kläger in einem Gespräch mit der Geschäftsführung am 06.12.1995 ab und begründete dies mit Schreiben/Telefax vom 28.12.1995 mit grundsätzlichen Bedingungen, die nicht im Bereich der H AG, sondern im Wirtschafts- und Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland lägen und die für ihn die Übernahme einer freien Generalvertretung nicht sinnvoll und effektiv werden ließen. Im Falle einer eventuellen Kündigung würde es äußerst schwer für ihn werden, eine neue Tätigkeit aufzunehmen. In diesem Fall wäre er an einer weiteren Zusammenarbeit mit der H AG im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten für Arbeitslose (bis 14 Stunden/Woche) auf Honorarbasis interessiert.

Mit Schreiben vom 28.11.1996 kündigte die H AG das Arbeitsverhältnis des Klägers unter Bezugnahme auf ein Gespräch mit der Geschäftsführung aufgrund struktureller Anpassungsmaßnahmen zum 30.04.1997. Bedingt durch Krankenzeiten verlängere sich die Kündigungsfrist auf den 17.05.1997. Neuer Austrittstermin sei der 31.05.1997. Danach war der Kläger arbeitslos gemeldet und bezog bis 28.01.2000 Arbeitslosengeld.

Auf seinen Antrag bezieht der Kläger seit 01.03.2001 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (Bescheid vom 16.08.2001, Widerspruchsbescheid vom 04.02.2003). Wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente verminderte die Beklagte den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,048 (16 Kalendermonate x 0,003) auf 0,952; an Stelle von 55,8749 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) legte sie dementsprechend nur 53,1929 persönliche Entgeltpunkte (Ost) der Ermittlung des Wertes der Altersrente zu Grunde. Dies hatte eine Absenkung um 4,8 % bzw. eine Rentenminderung um brutto 113,34 DM (EP-Minderung 2,6820 x aktueller Rentenweit (Ost) 42,26 DM) zur Folge. Vertrauensschutz nach § 237 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei dem Kläger nicht zu gewähren, weil das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung vor dem 14.02.1996, sondern erst aufgrund der Kündigung vom 28.11.1996 beendet worden sei. Zuvor habe eine Kündigung lediglich vage im Raum gestanden.

Mit der am 06.03.2003 beim Sozialgericht Dresden erhobenen Klage führte der Kläger sein Begehren zum Erhalt einer Altersrente ohne Abschläge unter Berücksichtigung von Vertrauensschutz weiter. Im Zeitpunkt der Ablehnung des Angebotes auf Übernahme der...

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