Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Umzug eines unter-25-Jährigen ohne vorherige Zusicherung des Grundsicherungsträgers. wiederholter Auszug aus dem Elternhaushalt. Verminderung des Regelbedarfs und keine Leistungen für die Unterkunft. Zusicherungserfordernis. Anwendung und Auslegung des § 22 Abs 5 S 1 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Der "Wiederauszug" eines unter-25-jährigen aus der elterlichen Wohnung in eine eigene Unterkunft löst, nach einem vorangegangenen "Wiedereinzug" in eine elterliche Wohnung, jedenfalls dann das Zusicherungserfordernis nach § 22 Abs 5 S 1 SGB 2 aus, wenn der unter-25-jährige vor dem "Wiedereinzug" zu keinem Zeitpunkt, unabhängig von staatlichen Grundsicherungs- und Transferleistungen, auf eigenen Beinen gestanden hat.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 30.11.2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 06.09.2017 bis 28.02.2018, unter Berücksichtigung der Regelbedarfe nach der Regelbedarfsstufe 1 (anstatt nach der Regelbedarfsstufe 3) und unter Berücksichtigung des Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (anstatt ohne Kosten der Unterkunft und Heizung) infolge Umzugs eines U-25-jährigen ohne Zusicherung des kommunalen Trägers.
Der 1995 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 11.12.2015 als Flüchtling aus Syrien in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein, stellte am 23.12.2015 einen Asylantrag, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12.01.2016 stattgegeben wurde, bezog bis 30.04.2016 (tatsächlich) Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und wurde am 11.12.2015 mit Ordnungsverfügung der Stadt Y.... (Saarland) vom 11.12.2015 zur Beseitigung der bei ihm eingetretenen Obdachlosigkeit (für die Zeit vom 11.12.2015 bis 31.12.2016) in eine Obdachlosenunterkunft (auf dem Anwesen Y....) eingewiesen. Er ist seit 13.05.2016 Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. Er lebte bis Juli 2016 tatsächlich in der Obdachlosenunterkunft in Y.... und bezog - nach Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft - vom Jobcenter C.... aufgrund Bewilligungsbescheides vom 24.05.2016 in der Fassung des Aufhebungsbescheides vom 10.06.2016 Arbeitslosengeld II nach dem SGB II vom 01.05.2016 bis 30.06.2016.
Der Kläger kam Anfang Juli 2016 nach A.... und war zunächst obdachlos. Er mietete am 20.07.2016 gemeinsam und zusammen mit seinem (ebenfalls als Flüchtling anerkannten, bis zu diesem Zeitpunkt im Übergangswohnheim in A.... wohnhaften, seit 01.07.2016 im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Beklagten stehenden) Vater (X....) eine 52,42 m² umfassende Zweiraumwohnung in A.... mit Mietbeginn ab 10.08.2016 an und wohnte in dieser Wohnung, gemeinsam mit seinem Vater, vom 10.08.2016 bis 05.09.2017 (so in der Veränderungsmitteilung des Klägers) oder bis 10.09.2017 (so in der Veränderungsmitteilung des Vaters). Der Beklagte erbrachte dem Kläger als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seines Vaters im Zeitraum vom 01.08.2016 bis 05.09.2017 Arbeitslosengeld II (Regelbedarfe und hälftige Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe) aufgrund des Änderungsbescheides vom 23.08.2016 und der Bewilligungsbescheide vom 11.01.2017 und 14.06.2017.
Am 08.08.2017 beantragte der Kläger beim Beklagten die Zusicherung zum Auszug aus der Wohnung in A.... mit der Absicht der erstmaligen Anmietung einer eigenen Wohnung (beabsichtigter Einzug in ein Zimmer einer Wohngemeinschaft in A....) und legte hierfür seine Gründe schriftlich dar. Mit (bestandskräftig gewordenem) Bescheid vom 09.08.2017 lehnte der Beklagte die Erteilung der Zusicherung zum Umzug mit den Begründungen ab, der Umzug sei nicht erforderlich, da derzeit Wohnraum für den U-25-jährigen Kläger vorhanden sei und die angegebenen Gründe nicht als wichtige Gründe anerkennt werden könnten. Der Bescheid enthielt eine Belehrung über die Rechtsfolgen bei einem dennoch erfolgten Umzug ohne Zusicherung sowie eine (ordnungsgemäße) Rechtsbehelfsbelehrung.
Am 24.08.2017 schloss der Kläger mit der Firma "W.... GmbH" einen Arbeitsvertrag über ein befristetes Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft für den Zeitraum vom 01.09.2017 bis 31.12.2017 mit einem Beschäftigungsvolumen von 35 Wochenarbeitsstunden und zu einem Bruttostundenlohn in Höhe von 9,05 Euro.
Am 29.08.2017 schloss der Kläger mit Frau V.... einen befristeten Mietvertrag über ein möbliertes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in A.... für den Zeitraum vom 10.09.2017 bis 31.08.2018 unter Vereinbarung einer monatlichen Bruttowarmmiete in Höhe von 300,00 Euro (230,00 Bruttokaltmiete zuzüglich 70,00 Euro für Vorauszah...