Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. freiwilliges Mitglied. Beitragsbemessung. Beitragspflicht von Überbrückungsgeld/Entlassungsabfindung. Familienversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Das auf der Grundlage des § 14a Tarifvertrag Nr 444/445 (Deutsche Post AG) gewährte Überbrückungsgeld ist keine nach § 240 SGB 5 zu berücksichtigende beitragspflichtige Einnahme.
2. Das Überbrückungsgeld gehört weder zu den in § 226 SGB 5 noch zu den in § 229 SGB 5 genannten beitragspflichtigen Einnahmen. Das Überbrückungsgeld ist insbesondere keine mit einem Versorgungsbezug vergleichbare Einnahme. Es dient allein dazu, Arbeitsentgeltausfälle aufzufangen, die dadurch entstehen, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Deutschen Post AG bis zum frühestmöglichen Beginn der Altersrente keinen neuen Arbeitsplatz findet. Dabei ist der Arbeitnehmer verpflichtet, jede ihm zumutbare Beschäftigung iS von § 121 SGB 3 anzunehmen und auf Dauer aufrechtzuerhalten. Bei einer nicht bloß kurzzeitigen Beschäftigung entfällt der Anspruch auf Überbrückungsgeld.
3. Ob das auf der Grundlage des § 14a Tarifvertrag Nr 444/445 (Deutsche Post AG) gewährte Überbrückungsgeld nach § 240 Abs 1 SGB 5 zur Beitragsbemessung herangezogen und durch die Satzung der Beitragspflicht unterworfen werden könnte, kann offen bleiben. Dies würde eine ausdrückliche Regelung in der Satzung erfordern, an der es hier fehlt.
4. Zur entsprechenden Anwendung des § 143a SGB 3 auf die Bemessung der Beiträge nach § 240 SGB 5.
5. Das Überbrückungsgeld ist aber beim Gesamteinkommen nach § 16 SGB 4 zu berücksichtigen und schließt regelmäßig eine Familienversicherung nach § 10 SGB 5 aus. Soweit keine anderen beitragspflichtigen Einnahmen vorhanden sind, ist der für freiwillig Versicherte maßgebliche Mindestbeitrag festzusetzen.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 10. August 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, unter Abänderung der entgegenstehenden Beitragsbescheide vom 12. Februar 2002 und vom 22. Januar 2003 für den Zeitraum vom 19. Februar 2002 bis 30. Juni 2003 die Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung nach der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 SGB V festzusetzen und den Differenzbetrag an die Klägerin auszuzahlen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung des von ihrer ehemaligen Arbeitgeberin gezahlten Überbrückungsgeldes zur Bemessung der Beiträge ihrer freiwilligen Krankenversicherung in der Zeit vom 19.02.2002 bis 30.06.2003.
Die am … 1944 geborene Klägerin war von Oktober 1961 bis Ende Dezember 1999 als Angestellte bei der D. AG beschäftigt. Am 16.12.1997 hat sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach waren sich die Parteien darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.12.1999 auf Veranlassung der Arbeitgeberin im Vorfeld einer betriebsbedingten Kündigung einvernehmlich beendet wird. Die Klägerin sollte ein Überbrückungsgeld in Höhe von 75 % des letzten tariflichen regelmäßigen Bruttoarbeitsentgelts entsprechend den Bestimmungen des hier maßgeblichen mit der D. AG abgeschlossenen § 14a des Tarifvertrages Nr. 444/445 vom 02.03.1995 (im Folgenden: Tarifvertrag) erhalten. Die Klägerin verpflichtete sich, sich beim zuständigen Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) arbeitslos zu melden, alle im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit zustehenden Leistungen unverzüglich zu beantragen und alles zu tun, um eine “Sperrfrist„ zu vermeiden sowie frühestmöglich eine anspruchsbeendende Rente wegen Alters bzw. wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu beantragen und in Anspruch zu nehmen. Der Tarifvertrag galt für alle 55-Jährigen und für alle älteren Arbeitnehmer, die mindestens seit 8 Jahren ununterbrochen im Unternehmen beschäftigt gewesen waren. Die Überbrückungsgeld-Regelung sollte soziale Härten beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Erreichen des “gesetzlichen Rentenalters„ vermeiden. In den Geltungsbereich des Tarifvertrages sollten solche Arbeitnehmer nicht fallen, die das Arbeitsverhältnis bei Inanspruchnahme einer Abfindung beenden. Der Anspruch auf Überbrückungsgeld entstand am Tag der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses für maximal 60 Kalendermonate, längstens jedoch bis zum frühestmöglichen Beginn einer Rente wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Damit sei ein nahtloser Übergang in die Rente gewährleistet. Nach dem Informationsschreiben sollte es sich bei dem Überbrückungsgeld um eine monatliche Abfindungszahlung handeln, auf die grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien.
Entsprechend dem Aufhebungsvertrag erhielt die Klägerin vom 01.01.2000 an ein Überbrückungsgeld in Höhe von 2.042,86 € monatlich, wobei die Arbeitgeberin ab Beg...