Verfahrensgang
SG Dresden (Urteil vom 02.12.1997; Aktenzeichen S 6 Vg 2/97) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über den Zeitpunkt, ab dem Kläger ein Anspruch auf Halbwaisenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zusteht.
Die Mutter des am … geborenen Klägers stellte am 16. November 1995 formlos und schriftlich einen Antrag beim Beklagten auf Entschädigung von Opfern von Gewalttaten, nachdem der leibliche Vater des Klägers, … am … an den Folgen einer gegen ihn verübten Körperverletzung gestorben war. (Sektionsprotokoll der Medizinischen Akademie Carl Gustav Carus vom 19. April 1993). In ihrem Antrag wies die Mutter des Klägers darauf hin, daß bislang weder sie noch ihr Sohn Kenntnis von der Möglichkeit einer Entschädigung für Opfer von Gewalttaten gehabt hätten, und bat dies bei der Bearbeitung des Antrages zu berücksichtigen.
Zuvor hatte die Mutter des Klägers am 4.5.1993 persönlich bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen, Geschäftsstelle Görlitz vorgesprochen und einen schriftlichen „Antrag auf Hinterbliebenenrente aus der Rentenversicherung der Arbeiter” gestellt. Dies erfolgte in der Weise, daß die Sachbearbeiterin mit der Mutter Punkt für Punkt des Antragformulars durchging und es auch für sie ausfüllte, da die Mutter stark sehbehindert ist (sie erhält Blindengeld) und selbst schlecht schreiben kann (Niederschrift v. 8.9.1998, LSG-Akten Bl. 39 f.). Unter Punkt 11.5 des Formulars (Ist der Tod des Versicherten durch Unfall oder durch andere Personen verursacht worden?) findet sich in der Rubrik „Unfallursache” die Eintragung: „erschlagen”. Bei Punkt 13 (Andere Leistungen – Beziehen oder bezogen Sie eine der nachstehenden Leistungen öder haben Sie eine dieser Leistungen beantragt?) sind alle dort angeführten Leistungsarten verneint worden, insbesondere ist auch unter Nr. 13.6 (Versorgungsrente vom Versorgungsamt oder entsprechenden ausländischen Stellen) das Kästchen „nein” angekreuzt.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 1996 bewilligte der Beklagte „…” Halbwaisenrente – nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab 01. November 1995 und stellte darüber hinaus fest, daß der Vater – … – geb.: am … an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 Opferentschädigungsgesetzes (OEG) gestorben ist (§ 38 BVG). Mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 berichtigte der Beklagte den im Bescheid vom 17. Oktober 1996 genannten Vornamen „als offenbare Unrichtigkeit in …” als den zutreffenden Vornamen des Klägers (Berichtigungsverfügung nach § 38 SGB X).
Hiergegen erhob dieser Widerspruch mit dem Begehren, ihm Halbwaisenrente bereits ab 03. April 1993 zu gewähren. Es seien diesbezüglich die besonderen Verhältnisse im Beitrittsgebiet sowie die Normen des OEG und des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung außer acht geblieben. Das Bundesversorgungsgesetz stelle auf das schädigende Ereignis ab, so daß bereits ab dem Tod des Vaters der Anspruch auf die Halbwaisenrente bestehe. Gleiches sage auch § 6 KOV-VfG. Des weiteren sei festzustellen, daß er infolge seiner Unkenntnis über derartige Ansprüche an einer früheren Antragstellung gehindert gewesen sei. Erst mit der Übersendung des Erstanerkennungsbescheides vom 17. Oktober 1996 sei er in den Besitz des Merkblattes über die Entschädigung von Opfern von Gewalttaten gelangt. Das OEG sei im Beitrittsgebiet auch erst zwei Jahre nach dem Tod des Vaters in Kraft getreten. Einem juristischen Laien könne daher nicht vorgeworfen werden, daß er nicht über die sozialrechtlichen Vorschriften, die sich auch häufig geändert hätten, informiert gewesen sei. Vielmehr hätte es den handelnden Behörden, so z.B. der Polizei oder gegebenenfalls dem Sozialamt der Stadt, oblegen, ihn auf seine Rechte hinzuweisen. Die offensichtliche Verletzung dieser Hinweispflicht begründe im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die Gewährung von Halbwaisenrente bereits ab dem 03. April 1993. Da die verspätete Antragstellung gleichzeitig eine unverschuldete Fristüberschreitung darstelle, sei seinem Begehren auch unter Berücksichtigung von § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG Rechnung zu tragen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. März 1997 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück, da die Hinterbliebenenversorgung gemäß § 61 a BVG frühestens mit dem auf den Sterbemonat folgenden Monat beginne. Voraussetzung sei jedoch, daß der Antrag hierzu vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode gestellt werde. Da der Vater des Klägers am 03. April 1993 an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 OEG gestorben sei, endet die Jahresfrist am 03. April 1994. Der Antrag auf Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz sei jedoch erst am 16. November 1995 und damit nach Ablauf der Jahresfrist vom zuständigen Amt für...