Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Beitragspflicht. Formalversicherung. Unternehmereigenschaft eingetragener Vereine. Anwendbarkeit von § 44 SGB 10 bei fehlerhafter Annahme eines unfallversicherungsrechtlichen Unternehmens. sächsischer Jagdverband. ehrenamtliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn bereits die Annahme einer unfallversicherungsrechtlich relevanten Unternehmereigenschaft rechtswidrig war und daraus resultierend durch den Feststellungsbescheid eines Unfallversicherungsträgers eine Formalversicherung begründet wurde, die den materiellen Gegebenheiten nicht entspricht, kann ein Festhalten an der Formalversicherung auch nicht aus den Gründen der Katasterstetigkeit abgeleitet werden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Feststellungsbescheides ist dann § 44 SGB 10; § 136 SGB 7 findet auf diese Fälle keine Anwendung.
2. Ein Unternehmen im unfallversicherungsrechtlichen Sinn liegt immer dann vor, wenn die durch das Unternehmen veranlassten Tätigkeiten vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfasst werden, also jedenfalls bei Tätigkeiten nach § 2 SGB 7.
3. Allein die Verfolgung der satzungsmäßigen Ziele eines gemeinnützigen eingetragenen Vereins durch ehrenamtlich Tätige - auch wenn dies in Form von planmäßigen und einer für eine gewisse Dauer bestimmten Vielzahl von Tätigkeiten durchgeführt wird - führt bei dem Verein noch nicht zur Erfüllung des (gewerblichen) Unternehmerbegriffs, da angesichts der bezweckten Gemeinnützigkeit die verfolgten Ziele einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vor- oder Nachteil nicht erkennen lassen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 26.01.2018 sowie
1. der Bescheid der Beklagten vom 29.03.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2017
2. der Bescheid der Beklagten vom 20.04.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 und
3. der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2016 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt,
1. den Bescheid vom 27.09.1995 und
2. die Beitragsbescheide vom 02.03.2012 und vom 11.02.2013 zurückzunehmen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten und die hieraus resultierende Beitragspflicht.
Der Kläger teilte der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft mit Schreiben vom 30.08.1994 mit, dass die Kreisjagdverbände Z.... und Y.... im April 1993 fusioniert hätten, der das Jahr 1993 betreffende Beitragsbescheid hätte an den Kläger gerichtet sein müssen. Mit Bescheid der Sächsischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 27.09.1995 wurde gegenüber dem Kläger die Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung festgestellt. Der Kläger wurde ab 01.04.1993 in das Unternehmerverzeichnis der Sächsischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft als Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft aufgenommen. Gleichzeitig wurde Beitragspflicht für die Zeit ab 01.04.1993 festgestellt.
Nachfolgend erließ die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Mittel- und Ostdeutschland als Rechtsnachfolgerin der Sächsischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sowie Rechtsvorgängerin der Beklagten Beitragsbescheide, u.a. den Beitragsbescheid für das Jahr 2011 vom 02.03.2012 über einen Beitrag in Höhe von 43,36 Euro sowie den Beitragsbescheid für das Jahr 2012 vom 11.02.2013 über einen Beitrag in Höhe von 50,02 Euro.
Mit Schreiben vom 31.03.2016 wandte sich der Kläger an die Beklagte und nahm Bezug auf ein Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 18.07.2003 (Az.: L 2 U 145/01 LW), wonach Jagdverbände in Sachsen nicht Pflichtmitglieder in der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft seien, sie seien auch im weitesten Sinne kein Unternehmen zur Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft. Beantragt werde gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkend für vier Jahre die bisherigen Beitragsbescheide im Hinblick auf die ehrenamtliche Tätigkeit bei dem Kläger zurückzunehmen.
Mit Bescheid vom 20.04.2016 lehnte die Beklagte die Rücknahme/Überprüfung der Bescheide für 2011 und 2012 ab, auch der Antrag auf Erstattung der gezahlten Beiträge für die Jahre 2011 und 2012 wurde abgelehnt. Die Bescheide für die Jahre 2011 und 2012 seien bindend geworden. Sie seien nur zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergäbe, dass bei Erlass der Verwaltungsakte das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb u.a. Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Für die Beitragsjahre 2013 und 2014 seien keine Beitragsbescheide erlassen worden, daher laufe der Antrag für diese beiden Jahre ins Leere.
Ergänzend zu diesem Bescheid führte d...