Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Unzulässigkeit der Berufung. Verwerfung durch Beschluss. erstinstanzliche Entscheidung: Gerichtsbescheid. Mündlichkeitsprinzip. Einverständnis der Beteiligten zu Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Sozialgericht iS des § 151 Abs 2 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Über die Berufung ist, wenn das Sozialgericht über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (vgl § 105 SGG) entschieden hat, unter Beachtung des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und unter Beachtung von Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (juris: MRK) nicht durch Beschluss zu entscheiden, sondern nur aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil unter Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter (Anschluss an BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 76/05 B = SozR 4-1500 § 158 Nr 2). Allerdings verbleibt es für die Beteiligten bei der Möglichkeit, gemäß § 124 Abs 2 SGG ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichtes ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu erklären.
2. Sozialgericht iS des § 151 Abs 2 SGG ist nur das Sozialgericht, dessen Entscheidung angefochten wird, nicht ein anderes Sozialgericht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 5. August 2009 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wandte sich gegen die Aufhebung von zuvor bewilligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und eine hieran anknüpfende Erstattungsforderung der Beklagten im Bescheid vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008.
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Gerichtsbescheid vom 5. August 2009 die Klage abgewiesen.
Gegen den am 11. August 2009 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellten Gerichtsbescheid ist mit Anwaltsschriftsatz vom 11. September 2009 per Telefax unter der Telefaxnummer des Sozialgerichtes Chemnitz Berufung eingelegt worden. Dieses Telefax ist am 11. September 2009 beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen, von dort weitergeleitet worden und am 14. September 2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig und den Bescheid der Beklagten vom 25. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufung sei nicht zulässig, weil sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der angefochtene Gerichtsbescheid sei am 11. August 2009 zugestellt worden. Die Berufung sei zwar am 11. September 2009 per Fax beim Sozialgericht Chemnitz eingegangen. Allerdings genüge dies nach § 151 Abs. 1 und Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht zur Fristwahrung. Als die Berufung am 14. September 2009 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangen sei, sei die Berufungsfrist bereits abgelaufen gewesen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht konnte über die Berufung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Gemäß § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung, wenn sie unter anderem nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist, als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Nach dem Urteil des 1. Senates des Bundessozialgericht vom 8. November 2005 (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005 - B 1 KR 76/05 B - SozR 4-1500 § 158 Nr. 2 = JURIS-Dokument Rdnr. 7 ff.) ist allerdings dann, wenn das Sozialgericht über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (vgl. § 105 SGG) entschieden hat, über die Berufung unter Beachtung des Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und unter Beachtung von Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten nicht durch Beschluss zu entscheiden, sondern nur aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil unter Einbeziehung der ehrenamtlichen Richter. Diese prozessrechtlichen Grundsätze gebieten jedoch nicht, gegen den Willen der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Da für eine Berufung gegen einen Gerichtsbescheid nicht von Gesetzes wegen eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, verbleibt es für die Beteiligten bei der Möglichkeit, gemäß § 124 Abs. 2 SGG ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Berufungsgerichtes ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zu erklären. Von dieser Möglichkeit haben die Beteiligten vorliegend Gebrauch gemacht.
II. Die Berufung ist nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden und daher gemäß § 158 Satz 1...