Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung der beruflichen Weiterbildung. Umschulung zum Arzthelfer. Anforderungen an die Maßnahme. angemessene Dauer. kein Ausschluss der Verkürzungsmöglichkeit durch Gesetz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausnahmeregelungen des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III und des § 434d Abs. 1 SGB III sollten nur solche Ausbildungen betreffen, bei denen Bundes- oder Landesgesetze ("Berufsgesetze") keine Verkürzung der Ausbildung vorsahen.
2. Die Verkürzung der Dauer der Umschulung zur Arzthelferin auf zwei Jahre war im Jahr 2003 nicht durch bundes- oder landesgesetzliche Regelungen ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 5. Mai 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung der Förderung einer Umschulung zur Arzthelferin im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X).
Die 1975 geborene Klägerin ist gelernte Restaurantfachfrau. Vom 2. Oktober 1999 bis zum 29. Februar 2000 sowie erneut ab dem 17. April 2003 bezog sie Arbeitslosengeld. Zwischenzeitlich befand sich die Klägerin im Mutterschutz sowie im Erziehungsurlaub.
Am 16. Mai 2003 beantragte die Klägerin die Umschulung zu einer Arzthelferin. Laut Umschulungsvertrag vom 23. Mai 2003 betrug die Dauer der Ausbildung 30 Monate vom 25. August 2003 bis zum 24. Februar 1006.
Der Antrag wurde von der Beklagten am 8. August 2003 unter Verweis auf § 85 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) abgelehnt, da die Dauer der Umschulung im Vergleich zur regulären Ausbildung nicht um mindestens 1/3 verkürzt sei und der Ausnahmefall einer durch bundes- oder landesgesetzliche Regelungen ausgeschlossenen Verkürzung der Ausbildungszeit nicht vorliege. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. August 2003 zurück. Die Ausbildungszeit der Klägerin überschreite die maximale Dauer von 2 Jahren, die sich bei einer Verkürzung der regulären Ausbildungszeit von 36 Monaten um 1/3 ergebe. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Ausnahmeregelung des § 434d Abs. 1 SGB III berufen, da der Beruf der Arzthelferin kein bundes- oder landesgesetzlich geregelter Beruf sei. Die hiergegen gerichtete Klage wurde wegen Versäumung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Am 18. November 2003 beantragte die Klägerin die Rücknahme des Bescheides vom 8.August 2003 gemäß § 44 SGB X. Die Verkürzung der Ausbildungszeit auf 30 Monate beruhe auf einem Beschluss der Sächsischen Landesärztekammer vom 4. Dezember 1993. Der Beschluss stelle Satzungsrecht und damit eine landesgesetzliche Regelung im Sinne des § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III dar. Gemäß 434d SGB III sei die Ausbildung für ihre Gesamtdauer zu fördern. Das Auswahlermessen sei auf Null reduziert, da in Sachsen keine weiteren Umschulungsmaßnahmen dieser Art angeboten würden.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 15. Januar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 ab.
Hiergegen richtet sich die am 3. November 2004 erhobene Klage. Eine Verkürzung der dreijährigen Ausbildungsdauer sei ausgeschlossen, da weder eine bundes- noch eine landesgesetzliche Regelung über die Möglichkeit einer lediglich zweijährigen Ausbildung zur Arzthelferin existiere.
Im Verfahren über einen Antrag der Klägerin auf einstweiligen Rechtsschutz wurde die Beklagte durch Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2005 (Az. L 2 B 192/04 AL-ER) verpflichtet, der Klägerin einen vorläufigen Bildungsgutschein für eine zweieinhalb Jahre dauernde Umschulung zur Arzthelferin zu erteilen und ihr vorläufig die Kosten der bereits begonnenen Maßnahme und Unterhaltsgeld ab Maßnahmebeginn zu gewähren.
Durch Urteil vom 5. Mai 2006 hat auch das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Januar 2004 verurteilt, den Bescheid vom 8. August 2003 gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen und der Klägerin den beantragten und bereits vorläufig erteilten Bildungsgutschein endgültig zu erteilen. Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 3 SGB III in der Fassung des 1. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 für die Förderung der Umschulung und damit für die Erteilung eines Bildungsgutscheines seien erfüllt. Insbesondere sei gemäß § 85 Abs. 2 Satz 3 SGB III i. V. m. § 434d Abs. 1 SGB III auch eine zweieinhalbjährige Maßnahme zu fördern. Die Dauer der Ausbildung sei angemessen im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, da eine Verkürzung der regulären Ausbildungsdauer von drei Jahren um mindestens 1/3 nach bundes- bzw. landesgesetzlichen Regelungen ausgeschlossen sei. Die Regelungen über die Förderungsfähigkeit trotz fehlender Verkürzungsmögl...