Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld. Lohnverzicht für den Insolvenzgeldzeitraum. Wirksamkeit des Lohnverzichts. Pfändungsfreigrenze. Wirksamkeit eines nachträglichen Lohnverzichts und zu der Bedeutung für den Insolvenzgeldanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wirksamkeit eines nachträglichen Lohnverzichts und zu der Bedeutung für den Insolvenzgeldanspruch.

 

Leitsatz (redaktionell)

Anspruch auf Insolvenzgeld besteht nicht, soweit der Arbeitnehmer für den Insolvenzgeldzeitraum wirksam auf seinen Lohnanspruch verzichtet hat.

Ein Lohnverzicht ist im Rahmen der auch das Arbeitsrecht grundsätzlich beherrschenden Privatautonomie frei vereinbar, solange damit nicht gegen besondere Schutzvorschriften oder gesetzliche Verbote verstoßen wird. Eine allgemeine Begrenzung durch die Pfändungsfreigrenzen besteht nicht.

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB 3 besteht nicht, wenn keine Ansprüche mehr auf Arbeitsentgelt bestehen, weil der Arbeitnehmer wirksam auf seinen Lohn verzichtet hat.

2. Der Lohnverzicht durch einen isolierten Erlassvertrag nach § 397 BGB unter vollständigem Verzicht auf die Gegenleistung aus dem Arbeitsvertrag  ist nicht wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam, auch wenn die Erklärung vom Arbeitgeber vorformuliert worden ist, da es sich um die vertragliche Regelung der Hauptleistungspflicht handelt und nicht um kontrollfähige allgemeine Geschäftsbedingungen.

3. Eine etwaige arglistige Täuschung (hier: über den Erhalt von Arbeitsplätzen trotz drohender Insolvenz) macht den Lohnverzicht nicht unwirksam, sondern berechtigt allenfalls zur Anfechtung nach § 123 BGB.

4. Der Lohnverzicht verstößt bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht im Sinne des § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot, weil § 4 Abs. 4 Satz 1 des Tarifvertragsgesetzes nicht eingreift.

5. Die Schutzvorschrift des § 613a BGB gilt nicht, wenn kein Fall des Betriebsüberganges vorliegt, und auch die Vorschriften des BGB über Aufrechnung (§ 394 BGB), Abtretung (§ 400 BGB) und Verpfändung (§ 1274 Abs. 2 BGB) sind nicht analog anwendbar.

6. Im nachträglichen Verzicht auf den Lohn für zwei Monate in der Hoffnung auf den Fortbestand des Unternehmens für die Zukunft liegt kein so auffälliges Missverhältnis zwischen der Verzichtleistung und der fehlenden Gegenleistung des Arbeitgebers, dass dies zur Sittenwidrigkeit des Erlassvertrags  gem. § 138 BGB führt.

 

Normenkette

SGB III § 183 Abs. 1 S. 1; BGB § 397

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. August 2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist Insolvenzgeld für März 1999 in Höhe von 1.155,43 EUR.

Der Kläger war nicht tarifgebunden als Heizungsmonteur bei der B.-H. GmbH beschäftigt und beendete dieses Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 1999 durch Aufhebungsvertrag. Ab 1. Juni 1999 nahm er eine Beschäftigung bei einer anderen GmbH auf, die vom gleichen Geschäftsführer wie die B.-H. GmbH geführt wurde. Zuvor hatte er durch schriftliche Erklärung vom 16. April 1999 für die Monate Februar und März 1999 auf Auszahlung seines Lohnes verzichtet, der im März 1999 netto 1.155,43 EUR betragen hätte. In der Verzichtserklärung wird unter anderem ausgeführt, dass dem Kläger bekannt ist, dass der Verzicht der Sicherung von Arbeitsplätzen in der B.-H. GmbH dient, dass die B. H. GmbH im Gegenzug die pünktliche Lohnzahlung für April 1999 und die Folgemonate sicherstellt sowie dass er am Tag der Unterzeichnung des Verzichts einen Vorschuss über 2.000,00 DM für April 1999 erhalten hat und den Rest bei Fälligkeit am 10. Mai 1999 erhält. Für April und Mai 1999 erhielt er seinen Lohn vollständig. Am 1. Oktober 1999 wurde über das Vermögen der B.-H. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 24. Januar 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten Insolvenzgeld für März 1999, was diese mit einem am 14. Februar 2001 an den Kläger abgesandten und auf den 14. Januar 2001 datierenden Bescheid ebenso ablehnte, wie auf den dagegen am 26. Februar 2001 erhobenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2001. Der Kläger habe die ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 1999 bis 1. Dezember 1999 laufende, zweimonatige Ausschlussfrist für die Stellung des Antrags auf Insolvenzgeld versäumt, ohne dass ihm eine Nachfrist von weiteren zwei Monaten ab Wegfall des Hinderungsgrundes für die Antragstellung eingeräumt werden könne, weil er sich zwischenzeitlich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Lohnansprüche bemüht habe.

Dagegen hat der Kläger, nachdem ihm der Widerspruchsbescheid vom 10. September 2001 am 12. September 2001 zugestellt worden war, am 12. Oktober 2001 Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Urteil vom 11. August 2004 abgewiesen hat. Zwar sei dem Kläger ein Sorgfaltsverstoß bei der Durchsetzung seiner Lohnansprüche nicht vorzuwe...

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