Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 23.02.2000; Aktenzeichen S 2 LW 234/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 23.02.2000 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.1998 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Ausgleichsgeld ab dem 01.12.1996 zu bewilligen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Ausgleichsgeld für die Zeit ab dem 01.12.1996.

Der am … geborene Kläger war im Zeitraum vom 01.01.1981 bis 30.06.1991 Vorsitzender der LPG „Ernst Thälmann” in B. Anschließend übte er bis zum 30.11.1996 die Tätigkeit eines Vorstandsvorsitzenden bei der Agrarproduktivgenossenschaft L./… e.G. (APG) aus. In dem Kündigungsschreiben vom 28.06.1996 heißt es unter anderem:

„Die gesamte Entwicklung in der Landwirtschaft zwingt uns zur Teilnahme an Extensivierungsprogrammen im pflanzlichen und tierischen Bereich. Nur durch drastische lebendige Arbeit, lässt sich ein positives Betriebsergebnis erzielen. … Sie gehören zu den älteren Arbeitnehmern unserer Genossenschaft. Gleichzeitig wird Ihnen von Ihrem Hausarzt bescheinigt, die Funktion des Vorstandsvorsitzenden auf Grund ihres chronischen Herzleidens nicht mehr auszuüben. Die Wahrnehmung der Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden übernimmt nach Ihrem Ausscheiden Ihr bisheriger Stellvertreter Herr M. F.

Am 10.12.1996 ging bei der Beklagten der Antrag des Klägers auf Ausgleichsgeld ein.

In der Arbeitgeberbescheinigung zum Antrag auf Ausgleichsgeld bestätigte die APG, das Beschäftigungsverhältnis als Vorstandsvorsitzender sei wegen Stilllegung von Ackerflächen im Umfang von 109,79 ha bei einer Gesamtbetriebsfläche von 655,41 ha im Wirtschaftsjahr 1996/1997 unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 30.11.1996 beendet worden.

Die APG nahm in der Zeit von 1993 bis 1997 an der konjunkturellen Flächenstilllegung nach der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 teil. Die Größen der Gesamtfläche und der jeweiligen Stilllegungsfläche (Angaben jeweils in ha) betrugen:

Jahr

Gesamtfläche

Stilllegungsfläche

1993

745,31

75,60

1994

667,16

80,65

1995

641,14

81,26

1996

656,09

109,79

1997

656,34

125,61

Weiterhin beteiligte sich das Unternehmen von 1992 bis 1996 am Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) – extensive Weidewirtschaft – mit 99,99 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Seit 1997 nimmt die APG am neuen KULAP – Grünlandnutzung – mit reduziertem Mitteleinsatz (50,04 ha) und extensiver Weidenutzung (21,7 ha) teil.

Die Zahl der von der APG beschäftigten Arbeitnehmer entwickelte sich wie folgt:

Juli 1992

26,5 Arbeitnehmer

Juli 1993

24,5 Arbeitnehmer

Juli 1994

22,5 Arbeitnehmer

Juli 1995

20,5 Arbeitnehmer

Juli 1996

15,5 Arbeitnehmer

Im Zeitraum vom 01.08.1995 bis zum 31.07.1996 bescheinigte die APG drei Arbeitnehmern, dass die Entlassung auf Flächenstilllegungen zurückzuführen sei. Im anschließenden Zeitraum bis Sommer 1997 begründete die APG zwei weitere Kündigungen mit Extensivierungsmaßnahmen bzw. Flächenstilllegungen.

Am 13.02.1997 erstellte SR. W., Fachärztin für Allgemeinmedizin, ein ärztliches Gutachten. Danach ist dem Kläger noch ein täglicher Einsatz bis zu drei Stunden in körperlich leichter Tätigkeit ohne besondere Stressbelastung zumutbar. Der Obergutachter der Beklagten Dr. K. schloss sich am 21.02.1997 dieser Einschätzung an.

Mit Bescheid vom 21.04.1998 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Ausgleichsgeld zurück. Maßgebliche kausale Stilllegung für die Kündigung des Klägers könne nur die Stilllegung 1997 mit dem Stilllegungsbeginn 15.01.1997 gewesen sein. Für dieses Stilllegungsjahr habe sich eine grundsätzliche Berechtigung zum Bezug von Ausgleichsgeld für eine Person ergeben. Da bereits für diese Anzahl von ehemaligen Mitarbeitern der APG Ausgleichsgeld bewilligt worden sei, sei die Quote der anspruchsberechtigten Personen für dieses Stilllegungsjahr ausgeschöpft. Die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers könne deshalb nicht der Stilllegung von Flächen im Sinne des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) zugerechnet werden, so dass für die Gewährung von Ausgleichsgeld die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Soweit die APG über die „gewöhnlichen” Stilllegungsmaßnahmen hinaus am KULAP teilgenommen habe, hätten sich hieraus zwar zwei zusätzliche Quotenplätze ergeben, diese könnten aber nach der vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie zur Beachtung vorgeschriebenen Richtlinie nicht mit der Entlassung des Klägers im zeitlichen Zusammenhang gesehen werden. Darüber hinaus liege bei dem Kläger auch keine Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VII) vor. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender fortführe. Ausweislich des Auszuges aus dem Genossenschaftsregi...

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