Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Zweck der Abrechnungsprüfung. keine notwendige Beiladung der betroffenen Vertragsärzte. Abrechnung des Zuschlags nach GOP-Nr 03212 EBM-Ä 2008

 

Orientierungssatz

1. Die in § 106a Abs 2 S 1 SGB 5 vorgesehene Abrechnungsprüfung der Vertragsärzte ist nicht darauf beschränkt, bloße Schreib- oder Rechenfehler zu korrigieren; sie zielt umfassend auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - abgerechnet werden.

2. Bei einem Rechtsstreit über die sachlich-rechnerische Richtigstellung vertragsärztlicher Abrechnungen müssen die betroffenen Vertragsärzte nicht notwendig beigeladen werden.

3. Für die Abrechnung des Zuschlags gemäß Gebührenordnungsposition 03212 EBM (juris: EBM-Ä 2008) genügt es nicht, wenn eine Dauerbehandlung iS des § 2 Abs 2 Chroniker-Richtlinie - Chr-RL (juris: CHrRL) irgendwann in der Vergangenheit erfolgt ist. Vielmehr setzt die Abrechnung voraus, dass die Krankheit zuvor für wenigstens ein Jahr - also für vier oder mehr Quartale - mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde und die Dauerbehandlung auch im Zeitpunkt der Abrechnung angedauert hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 17.02.2016; Aktenzeichen B 6 KA 63/15 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 27. November 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Verpflichtung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung vertragsärztlicher Abrechnungen der Gebührenordnungsposition (GOP) Nr. 03212 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM).

Die GOP Nr. 03212 lautete in der für das Quartal I/2010 maßgeblichen Fassung des EBM (die GOP wurde mit Wirkung ab dem Quartal IV/2013 gestrichen), wie folgt:

Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn. 03110 bis 03112 für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankung(en) gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V,

Obligater Leistungsinhalt

 - Mindestens 2 Arzt-Patienten-Kontakte,einmal im Behandlungsfall (kurativ-ambulant)                                                                                                          495 Punkte

Die Gebührenordnungsposition 03212 kann bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten 2. Lebensjahr auch ohne die Voraussetzung einer wenigstens 1 Jahr langen Dauerbehandlung gemäß § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen im Sinne des § 62 SGB V berechnet werden.

Die Gebührenordnungsposition 03212 ist bei Überweisung durch einen in der Präambel 3.1 Nr. 1 genannten Vertragsarzt zur spezialisierten diabetologischen Behandlung in diabetologischen Schwerpunktpraxen auch neben den Gebührenordnungspositionen 03120 bis 03122 berechnungsfähig. Die entsprechende Kodierung nach ICD-10-GM ist bei der Überweisung anzugeben.

Die Gebührenordnungsposition 03212 ist bei Überweisung durch einen in der Präambel 3.1 Nr. 1 genannten Vertragsarzt zur spezialisierten Behandlung eines an HIV-/AIDS-erkrankten Patienten gemäß Abschnitt 30.10 in HIV-Schwerpunktpraxen auch neben den Gebührenordnungspositionen 03120 bis 03122 berechnungsfähig. Die entsprechende Kodierung nach ICD-10-GM ist bei der Überweisung anzugeben.

Die in der GOP erwähnte Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Umsetzung der Regelungen in § 62 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für schwerwiegend chronisch Erkrankte (Chroniker-Richtlinie - in der Fassung vom 22.01.2004, zuletzt geändert am 19.06.2008, abgedruckt unter https://www.g-ba.de/informatiönen/richtlinien/8/) bestimmte in ihrem § 2:

(1) Eine Krankheit i.S.d. § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand, der Behandlungsbedürftigkeit zur Folge hat. Gleiches gilt für die Erkrankung nach § 62 Abs. 1 Satz 4 SGB V.

(2) Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang, mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung) und eines der folgenden Merkmale vorhanden ist:

a) Es liegt eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3 nach dem zweiten Kapitel SGB XI vor.

b) Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 % vor, wobei der GdB oder die MdE nach den Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG oder des § 56 Abs. 2 SGB VII festgestellt und zumindest auch durch die Krankheit nach Satz 1 begründet sein muss.

c) Es ist eine kontin...

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