Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Abrechnung des Chroniker-Zuschlags. Arzt-Patienten-Kontakt
Leitsatz (amtlich)
Die Abrechnung der Nr 03212 EBM-Ä 2008 ohne einen Arzt-Patienten-Kontakt in jedem der dem Abrechnungsquartal vorausgehenden vier Quartale steht nicht im Einklang mit der Leistungslegende des EBM (juris: EBM-Ä 2008).
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl SG Dresden vom 27.11.2013 - S 11 KA 88/11
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.01.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 05.05.2014 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das in den Quartalen 1 und 2/2011 von den Vertragsärzten für Versicherte der Klägerin bei der Beklagten angeforderte Honorar gezielt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 03212 EBM 2008 hin zu prüfen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine sachlich-rechnerische Berichtigung von Honoraransprüchen der Vertragsärzte im Bezirk der Beklagten.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist eine Kassenärztliche Vereinigung.
Am 27. Dezember 2011 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Prüfung der Honorarabrechnungen der Vertragsärzte im Bezirk der Beklagten für Versicherte der Klägerin in Bezug auf die Gebührenordnungsposition (GOP) 03212 EBM 2008 (Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nr. 03110 bis 03112 für die Behandlung von Patienten mit schwerwiegender chronischer Krankheit) für die Quartale 1 und 2/2011 und übersandte hierzu auf Datenträgern die zu prüfenden Daten. Die Klägerin führte aus, dass sie in den beiden Quartalen Unstimmigkeiten im Umfang von ca. 7,3 Millionen Punkten festgestellt habe.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 09. Januar 2012, mit dem eine inhaltliche Bearbeitung der Prüfanträge abgelehnt wurde, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 09. Februar 2012 Widerspruch. Nach den gelieferten Daten sei durch Vertragsärzte im Bezirk der Beklagten eine Abrechnung der GOP 03212 EBM 2008 ohne kontinuierliche ärztliche Behandlung wenigstens über ein Jahr mindestens einmal je Quartal wegen derselben Erkrankung erfolgt. Insofern ginge es um den aktuellen Aufwand bei der Behandlung der Patienten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gem. § 2 Abs. 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) zur Definition schwerwiegender chronischer Krankheiten im Sinne des § 62 SGB V (Chroniker-Richtlinie). Zu prüfen seien zumindest die Fälle, in denen in den drei dem Prüfquartal vorangegangenen Quartalen nicht mindestens je eine ärztliche Behandlung pro Quartal stattgefunden habe. Dem Berichtigungsinteresse der Klägerin stehe nicht entgegen, dass vorliegend Leistungen der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung betroffen seien. Im Übrigen könnten die abgerechneten Leistungsmengen auch relevant für die Vereinbarung der Gesamtvergütung in den Folgejahren sein. Somit habe die Beklagte die vertragsärztlichen Honorarabrechnungen unter den dargestellten Maßgaben zu prüfen, ob eine kontinuierliche Behandlung der Patienten durch die Vertragsärzte über 4 Quartale stattgefunden habe.
Nachdem die Beklagte am 14. Januar 2014 zunächst eine Einzelfallprüfung sowie Anhörung der Vertragsärzte angekündigt hatte, wies sie mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 05. Mai 2014, ausgefertigt am Folgetag und der Klägerin am 09. Mai 2014 zugegangen, die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Rechtsauffassung der Klägerin zur kontinuierlichen Behandlung und Definition schwerwiegender chronischer Erkrankungen sei nicht zutreffend. Die Definition ergebe sich aus § 2 der Chroniker-Richtlinie des GBA. Nach dem ersten Tatbestandsmerkmal müsse mindestens ein Jahr lang eine ärztliche Behandlung je einmal im Quartal erfolgen. Nach dem weiteren Tatbestandsmerkmal müsse eins von drei weiteren Merkmalen zur näheren Kennzeichnung der “schwerwiegenden„ Erkrankung erfüllt sein. Hier sei insbesondere auf die 3. Alternative der kontinuierlichen medizinischen Versorgung im Sinne einer ärztlichen Behandlung, Arzneimittel-, Heil- oder Hilfsmitteltherapie bzw. Behandlungspflege zu verweisen. Aus der Bestimmung in § 2 Abs. 2 der Chroniker-Richtlinie des GBA ergebe sich nicht die zwingende Voraussetzung eines Arzt-Patienten-Kontaktes über 4 Quartale durchweg je einmal pro Quartal im Prüfquartal sowie den drei vorangegangenen Quartalen. Vielmehr könnte diese Behandlung auch zeitlich früher und damit weiter zurückliegende Behandlungen betreffen, wobei anschließend die kontinuierliche Weiterbehandlung im Sinne der kontinuierlichen medizinischen Versorgung nach Alternative 3 des vorgenannten 2. Tatbestandsmerkmales erfolge. Insofern sei hier auf die Fälle zum Beispiel eingestellter Diabetespatienten zu verweisen. Auch in diesen Fällen sei Sinn und Zweck der Chroniker-Richtlinie des GBA erfüllt. Erst die Bestimmung im EBM ab dem 01. Oktober 2013 z...