Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. persönliche Arbeitslosmeldung. Rückwirkung bei fehlender Dienstbereitschaft. Beschränkung auf den ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit. keine Anwendung auf den ersten Tag der Arbeitslosigkeit. keine planwidrige Regelungslücke. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auslegung von § 141 Abs 3 SGB III können die beiden gesetzlich definierten Begriffe "Beschäftigungslosigkeit" und "Arbeitslosigkeit" nicht gleichgesetzt werden.
2. Für eine analoge Anwendung der Regelung über die Rückwirkung einer persönlichen Arbeitslosmeldung im Falle einer fehlenden Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit auf den Fall, dass die persönliche Arbeitslosmeldung wegen der Erkrankung des Arbeitslosen nicht bereits am ersten Tag seiner Beschäftigungslosigkeit, sondern erst am ersten Tag seiner Arbeitslosigkeit erfolgen kann, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
3. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Beschränkung der Rückwirkungsregelung in § 141 Abs 3 SGB III auf den ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Leipzig vom 7. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld bereits ab dem 1. Mai 2019.
Die Beklagte hatte dem Kläger mit Bescheid vom 24. September 2018 Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. September 2018 mit einer Anspruchsdauer von 360 Tagen bewilligt. Aufgrund der Aufnahme einer Beschäftigung hob sie diese Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 19. Dezember 2018 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2019 auf.
Nachdem die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2019 gekündigt hatte, meldete sich der Kläger am 11. Januar 2019 zum 1. Februar 2019 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Mit Veränderungsmitteilung vom 31. Januar 2019 informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er seit 30. Januar 2019 arbeitsunfähig sei (AU-Bescheinigung vom 30. Januar 2019). Die Arbeitsunfähigkeit bestand auch in der Folgezeit fort.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Februar 2019 Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 1. Februar 2019 mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen.
Auf den Widerspruch des Klägers erließ die Beklagte unter dem 8. März 2019 sowohl
einen Abhilfebescheid als auch einen Rücknahmebescheid, mit dem sie die Leistungsbewilligung ab dem 1. Februar 2019 zurücknahm, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Krankengeld habe.
Nachdem sowohl seine Arbeitsunfähigkeit als auch der Krankengeldbezug zum 30. April 2019 geendet hatten, meldete sich der Kläger am 2. Mai 2019 erneut arbeitslos.
Mit Bescheid vom 7. Mai 2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 2. Mai 2019 mit einer Anspruchsdauer von 240 Tagen und einem täglichen Leistungsbetrag in Höhe von 64,26 EUR.
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 15. Mai 2019 Widerspruch ein. Ihm sei bereits ab dem 1. Mai 2019 Arbeitslosengeld zu bewilligen. Denn da die Agentur für Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertages an diesem Tag nicht dienstbereit gewesen sei, habe er sich erst am Folgetag, dem 2. Mai 2019, arbeitslos melden können.
Die Beklagte erklärte mit Bescheid vom 16. Mai 2019 die vorläufige Entscheidung für endgültig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2019 wies die Beklagte den Widerspruch, den sie als gegen den Bescheid vom 7. Mai 2019 in der Fassung des Bescheides vom 16. Mai 2019 gerichtet ansah, zurück. Die Sonderregelung über die Rückwirkung der persönlichen Arbeitslosmeldung in § 141 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) betreffe den Fall, dass die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit der oder des Arbeitslosen nicht dienstbereit sei. Der Kläger sei bereits seit dem 1. Februar 2019 beschäftigungslos und habe danach lediglich wegen Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bezogen.
Der Kläger hat am 4. Juni 2019 Klage erhoben. § 141 Abs. 3 SGB III setze eine Arbeitslosigkeit voraus. Diese habe bei ihm erst am 1. Mai 2019 begonnen, weil er zuvor wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestanden habe, mithin nicht verfügbar gewesen sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Januar 2020 abgewiesen. Nach den allgemeinen Regeln sei dem Kläger zu Recht ab dem 2. Mai 2019 Arbeitslosengeld bewilligt worden. Die Arbeitslosmeldung vom 2. Mai 2019 wirkte nicht zurück. Denn die Rückwirkung gemäß § 141 Abs. 3 SGB III trete nur ein, wenn sich der Arbeitslose unmittelbar im Anschluss nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos melde. Erfolge die Meldung in größerem zeitlichem Abstand zum Eintritt der Beschäftigungslosigkeit, greife die Sonderregelung nicht ein. Eine analoge Anwendung von § 141 Abs...