Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Vergütungsanspruch für stationäre Krankenhausbehandlung. Aufgabe des Gerichts. unstreitiger medizinischer Sachverhalt. Zuordnung unter die Diagnosen aus dem ICD 10 GM Katalog. keine Einholung von medizinischen Sachverständigengutachten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem unstreitigen (medizinischen) Sachverhalt ist es Aufgabe des Gerichts, diesen unter die Diagnosen aus dem ICD 10 GM Katalog (juris: ICD-10-GM) (unter Berücksichtigung dessen Systematik und der allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft, dh am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen) zu subsumieren.
2. Das angerufene Gericht darf sich dieser genuin eigenen Aufgabe nicht dadurch entziehen, dass es zwecks Beantwortung der zu entscheidenden Rechtsfrage medizinische Sachverständigengutachten einholt.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Dezember 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf 3.207,84 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Vergütungsanspruchs für eine stationäre Krankenhausbehandlung und dabei über die Anwendung zweier unterschiedlich zu vergütender Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalenkatalog 2008.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte betreibt ein nach § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Krankenhaus (Plankrankenhaus). Die 1937 geborene und bei der Beklagten und Berufungsklägerin gesetzlich krankenversicherte H. W… (nachfolgend: Versicherte) war am 4. Februar 2008 mit einer Hüft-Totalendoprothese (Hüft-TEP) rechts versorgt worden. Nach einem Sturz im häuslichen Bereich am 7. Juni 2008 erfolgte am 13. Juni 2008 wegen Schmerzen und Knacken in der rechten Hüfte zunächst die Notfallaufnahme im Klinikum R…-G… und am selben Tag die Verlegung in das Krankenhaus der Klägerin. Am 17. Juni 2008 wurde dort eine Osteosynthese mit drei Cerclagen durchgeführt. Am 2. Juli 2008 wurde die Versicherte, an zwei Unterarm-Gehstützen mobilisiert, entlassen. Die Klägerin kodierte die Hauptdiagnose M96.6 (“Knochenfraktur nach Einsetzen eines orthopädischen Implantates, einer Gelenkprothese oder einer Knochenplatte„) und beanspruchte auf Grund der dadurch angesteuerten DRG I08B ("Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur oder komplexer Diagnose bei zerebraler Lähmung oder mit äußerst schweren CC oder Ersatz des Hüftgelenkes mit Eingriff an oberer Extremität oder Wirbelsäule, Alter ≫ 15 Jahre„) gegenüber der Beklagten mit Rechnung vom 15. Juli 2008 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 9.874,53 EUR.
Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe. Am 18. August 2008 erfolgte eine Prüfanzeige seitens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen, welche sich u. a. auf die Kodierung der Hauptdiagnose bezog. Bereits am 15. Oktober 2008 rechnete die Beklagte den nach ihrer Auffassung überzahlten Differenzbetrag von 3.207,87 EUR mit einer unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin auf. Nachdem der Sachverständige im MDK Dipl. Med. U…; Facharzt für Chirurgie, in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 24. November 2008 ausgeführt hatte, die Hauptdiagnose M96.6 sei nicht zu kodieren, wenn ICD-Kodes aus den Organkapiteln - hier: S72.11 (“Pertrochantäre Fraktur, Intertrochantär„) oder S72.2 (“Subtrochantäre Fraktur„) - anwendbar seien, forderte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 zur Korrektur der Rechnung unter Verwendung der DRG I08B (“Andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur, komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC„) auf.
Mit der am 1. Oktober 2009 bei dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von in Höhe von 3.207,87 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2008 geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt, die Auswahl der S-Diagnosen verstoße gegen die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR Version 2008) und die dort in der Kodierregel D002f zur Hauptdiagnose enthaltenen Ausführungen zu “Erkrankungen bzw. Störungen nach medizinischen Maßnahmen„. Bei S-Diagnosen bliebe die Besonderheit, dass es sich um einen Bruch nach Einsetzen einer Endoprothese handelt, unberücksichtigt. Ohne Endoprothese hätte sich die Versicherte bei einem Sturz möglicherweise gar keinen Bruch zugezogen. Die Endoprothese sei daher als wesentliche Ursache für die Fraktur zu betrachten; die Schlüsselnummer M96.6 sei daher spezifischer. Auch das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) habe in einer Stellungnahme aus dem Jahr 2006 bestät...