Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Einnahmen aus einer Straftat. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. keine Rückzahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Zuflusses
Leitsatz (amtlich)
1. Gelder, die auf dem Konto des Leistungsberechtigten aus einer Straftat (hier: Betrug aus ebay-Verkäufen) zufließen, sind als Einkommen anzurechnen und können zu einer berechtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3, 4 SGB X bzw § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2, 3 SGB X führen.
2. Zur Unterscheidung von Einkommen und Vermögen.
3. Durch Straftaten erlangte Gelder sind im Zeitpunkt des Zuflusses nicht von Anfang an mit einer konkreten Rückzahlungsverpflichtung verbunden. Mit Buchung der Beträge ist der Leistungsberechtigte alleiniger Anspruchsinhaber des Auszahlungsanspruchs geworden und hat die alleinige Verfügungsgewalt über das Guthaben.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Juli 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.12.2009 und speziell um die Frage, ob Einnahmen, die der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Kläger) aus Straftaten erlangt hat, auf seinen Bedarf angerechnet werden können.
Der 1988 geborene Kläger war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum alleinstehend und bewohnte eine 26,56 m² große Wohnung in der A-Straße in A...., für die 190,67 € Miete monatlich zu zahlen waren. Da er im Februar 2009 sein 21. Lebensjahr vollendet hatte und sich weder in Arbeit noch in Ausbildung befand, erhielt er ab März 2009 kein Kindergeld mehr. Die bislang monatlich i.H.v. 25,00 € erfolgte Unterhaltszahlung des Vaters war bereits im September 2008 eingestellt worden.
Das im August 2005 begonnene Ausbildungsverhältnis zum Wirtschaftsassistent/Informatik wurde im November 2006 wegen diverser Fehlzeiten des Klägers abgebrochen. Auf seinen Erstantrag zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II bewilligte der Beklagte und Berufungskläger (im Folgenden: Beklagter) ab Dezember 2006 entsprechende Leistungen. Auch eine Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit (bei der AWO Jugendwerkstatt) brach der Kläger ab, weshalb der Beklagte eine Sanktion im Zeitraum vom 01.10.2007 bis 11.11.2007 verhängte. In den Folgezeiträumen wurden dem Kläger weiter Leistungen nach dem SGB II gewährt. Am 08.11.2010 begann der Kläger eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, für die er Berufsausbildungsförderung erhielt und die wegen erheblicher Fehlzeiten des Klägers wiederum am 06.01.2011 abgebrochen wurde.
Mit Bescheid vom 22.05.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger auf dessen Weiterbewilligungsantrag hin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 in Höhe von 535,03 € monatlich und mit Bescheid vom 10.11.2009 für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.05.2010 Leistungen in Höhe von 542,88 € monatlich.
Am 19.11.2010 erhielt der Beklagte durch die Staatsanwaltschaft A.... Mitteilung darüber, dass gegen den Kläger wegen verschiedener Betrugsstraftaten ermittelt werde. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger hatte erhebliche Schulden aus einem Strafverfahren im Jahr 2008 und weitere Schulden im Rahmen der Trennung von seiner Freundin. Für diese hatte er in der Vergangenheit auf seinen eigenen Namen einen Telefonvertrag geschlossen, aus welchem Ende 2009 Forderungen in Höhe von knapp 6.000,00 € angelaufen waren. Der Kläger verkaufte daher am 01.11.2009 über die Internetauktionsplattform ebay die in seinem Eigentum stehende Playstation 3 und zwölf dazugehörige Spiele zu einem Preis von 450,00 € an einen Bieter. In der Folge bot der Kläger die Playstation einem weiteren Käufer für 430,99 € an, der sie für diesen Preis ersteigerte. Die Gelder erhielt der Kläger auf sein Konto überwiesen, obwohl er die Playstation an die beiden Käufer nicht versandte.
Wegen dieser Taten wurde der Kläger am 06.09.2011 vom Landgericht A.... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Am 26.09.2011 verurteilte das Amtsgericht A.... den Kläger wegen weiterer Betrugsstraftaten und unter Auflösung des Urteils des Landgerichts A.... zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Diesem Urteil lag zugrunde, dass der Kläger kurz vor dem 02.11.2009 über die Internetauktionsplattform ebay ein Notebook für 428,75 € zum Kauf anbot, welches gar nicht in seinem Eigentum stand. Um den "Gewinn" zu vervielfachen, erstattete der Kläger bei der Deutschen Post DHL Verlustanzeigen für Waren, die er tatsächlich gar nicht versandt hatte. Unter Herstellung von gefälschten Einlieferungsbelegen erreichte der Kläger die Auszahlung von 505,90 € am 10.0...