Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7. Abgrenzung: abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Aushilfstätigkeit für einen Tag. Dienstvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgeblich sind die Rechtsbeziehungen danach so, wie sie praktiziert werden, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Anschluss an BSG vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R, RdNr 16, juris).

2. Hauptberuflich abhängig beschäftigte Arbeitnehmer können neben ihrem Arbeitsverhältnis einer selbstständigen Tätigkeit nachgehen, wie auch hauptberuflich Selbstständige neben ihrer selbstständigen Tätigkeit einer abhängigen Beschäftigung bei einem Arbeitgeber nachgehen können (Vergleiche LSG Chemnitz vom 31.7.2015 - L 1 KR 37/10, RdNr 31, juris).

3. Zur rechtlichen Einordnung einer nur für einen Tag im Rahmen eines Dienstvertrags ausgeübten einfachen Aushilfstätigkeit eines Selbstständigen im Rahmen eines Dienstvertrags auf einer Baustelle, wenn er dabei dem Weisungsrecht eines fremden Unternehmens unterlag, in dessen Arbeitsorganisation eingebunden war und "Hand in Hand" mit den Arbeitnehmern des Unternehmens zusammenarbeitete.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 11. Dezember 2018 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2018 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 2. Oktober 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2016 zurückzunehmen und festzustellen, dass das Ereignis vom 4. Oktober 2013 ein Arbeitsunfall ist.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob das Ereignis vom 04.10.2013 ein Arbeitsunfall ist.

Der 1968 geborene Kläger ist ausgebildeter Dachdecker. Vor dem Unfallereignis betrieb er ein Gewerbe im Bereich Gerüstverleih, Holzbearbeitung und Handel sowie Holz- und Bautenschutzgewerbe, Dachdeckerei, ohne Arbeitnehmer zu beschäftigen.

Die Stadt Z.... hatte das Planungsbüro Y.... mit Abrissarbeiten des ehemaligen Ziegelwerkes Z.... beauftragt. Diese beauftragte ihrerseits die Erd- und Tiefbau GmbH X.... mit dem Abbruch. Diese wiederum übertrug Abbrucharbeiten bezüglich des Wellblechdachs sowie des darunter befindlichen Asbests an das Unternehmen W.... aus V.... . Als der Kläger am 03.10.2013 auf einer Baustelle der Erd- und Tiefbau GmbH X.... in O.... tätig war, fragte ihn deren Geschäftsführer G...., ob er am nächsten Tag auf der Baustelle in Z.... mithelfen und Gerüstbau-, Sicherheitsnetzumhäng- und Dachabrissarbeiten wahrnehmen könne, da die Arbeitnehmer des Unternehmens W.... am 04.10.2013 nicht auf der Baustelle sein konnten. Der Kläger sagte zu. So nahm er am 04.10.2013 seine Arbeit am Abbruchobjekt ehemaliges Ziegelwerk Z.... gemeinsam mit dem Zeugen E.... auf und arbeitete mit Arbeitnehmern der Erd- und Tiefbau GmbH X.... zusammen. Bei der Demontage von Welldachblechen stürzte der Kläger 7,91 Meter tief durch das Dach auf einen Betonboden und zog sich schwerste Verletzungen, u. a. eine Schädeldachfraktur, ein Hirnödem, eine traumatische Subachanoidalblutung und Frakturen des 2. Hals- und des 7. Brustwirbelkörpers, zu.

Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vernahm die Beklagte den Zeugen E.... schriftlich. Der Kläger und er hätten den Auftrag von der Erd- und Tiefbau GmbH X.... erhalten, das Dach abzureißen. Sie seien als Subunternehmer tätig gewesen. Sie hätten gemeinsam mit zwei Arbeitnehmern der Erd- und Tiefbau GmbH den Dachabriss "Hand in Hand" vorgenommen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 02.10.2015 die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall ab, da der Kläger zum Unfallzeitpunkt als Subunternehmer und damit Selbstständiger nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden habe. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Klägers. Er sei am Unfalltag in das Unternehmen der Erd- und Tiefbau GmbH X.... eingegliedert gewesen und daher wie ein Arbeitnehmer tätig geworden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2016 zurück. Der Kläger sei nicht als Arbeitnehmer der Erd- und Tiefbau GmbH X.... tätig gewesen. Er sei auch nicht einer Beschäftigung wie ein Beschäftigter nachgegangen, sondern habe eigenwirtschaftlich gearbeitet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sei derjenige, der Aufgaben wahrnehme, die sowohl in den Aufgabenbereich eines eigenen Unternehmens als auch in den eines fremden Unternehmens fielen, allein zur Förderung der Interessen seines eigenen Unternehmens tätig (Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 28.05.1957 - 2 RU 150/55; Urteil vom 26.06.2007 - B 2 U 35/06 R).

Mit der am 0...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge