Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittelversorgung. kein Anspruch auf Versorgung mit DAOSIN. Arzneimittelbegriff. Einstufung als Funktionsarzneimittel abhängig von pharmakologischen Eigenschaften. fehlende pharmakologische Wirkung bei auch mit normaler Nahrungsaufnahme erzielbarer Wirkung
Leitsatz (amtlich)
1. DAOSIN ist weder seiner Bezeichnung noch seiner Funktion nach ein von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel im Sinne von § 31 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 AMG (juris: AMG 1976), sondern ein nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogenes Nahrungsergänzungsmittel.
2. Bei der Beurteilung, ob es sich bei einem Erzeugnis ein Funktionsarzneimittel im Sinne von § 2 Abs 1 S 2 Nr 2 AMG handelt, ist maßgeblich auf die pharmakologischen Eigenschaften abzustellen.
3. Wenn die Wirkung des Erzeugnisses nicht über das hinausgeht, was auch mit der normalen Nahrungsaufnahme an Einwirkungen auf den Körper erzielt werden kann, fehlt es an der pharmakologischen Wirkung im Sinne von § 2 Abs 1 S 2 Nr 2 AMG.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Erstattung der für die Beschaffung von DAOSiN® entstandenen Kosten.
Die 1968 geborene Klägerin leidet unter einem Hypereosinophilie-Syndrom. Als sie bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war, beantragte die Klägerin am 27.12.2018 unter Vorlage von zwei Privatrezepten vom 11.12.2018 und 13.11.2018 die Übernahme der Kosten für insgesamt 120 Kapseln DAOSiN®. Am 30.11.2018, 19.12.2018 und 10.01.2019 beschaffte sie sich DAOSiN®; es fielen Kosten in Höhe von jeweils 42,98 € an (insgesamt 128,94 €).
Den Antrag der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2018 ab. Bei DAOSiN® handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel. Die Arzneimittelrichtlinie bestimme, dass die Verordnung von Lebensmitteln und Nahrungsmitteln in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sei. Sie sei der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 22.01.2019 machte die Klägerin geltend, dass sie am 13.06.2016 durch den Notarzt mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt in das Krankenhaus eingewiesen worden sei. Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes seien neue Befunde erhoben worden (Multiallergien, Pseudoallergien, Salicylatintoleranz, Laktoseintoleranz, Histaminintoleranz). Sie leide an ständiger Übelkeit, Unwohlsein, Asthmaanfällen, Herzproblemen, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Die Schilddrüse und ein wurzelbehandelter Zahn seien entfernt worden. Um eine Besserung des Krankheitszustandes zu erreichen, habe sie zudem Cortison eingenommen. Aus ärztlicher Sicht sei die Einnahme von DAOSiN® erforderlich. Sobald sie dieses weglasse, verstärkten sich die Symptome.
Mit Schreiben vom 31.01.2019 und vom 18.03.2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenerstattung nicht in Betracht komme. Bei DAOSiN® handele es sich um ein nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasstes Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin habe sich DAOSiN® bereits am 30.11.2018 und am 19.12.2018 selbst beschafft, so dass auch der Beschaffungsweg nicht eingehalten sei. Ferner reiche ein Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch.
Den dennoch aufrechterhaltenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte aus den bereits in den Schreiben vom 31.01.2019 und 18.03.2019 genannten Gründen mit Widerspruchsbescheid vom 09.04.2019 zurück.
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.04.2019 hat die Klägerin am 10.05.2019 Klage vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben. Sie leide an einem Hypereosinophilie-Syndrom. Dieses führe zu allergischen Symptomen gegen Nahrungsmittel und Medikamente. Die Erkrankung führe zu Atemnot, Erbrechen, Magenkrämpfen, Durchfall, juckender Haut, Ausschlägen, Schwellungen, Asthma, brennendem Kribbeln der Mundhöhle, schwankendem Blutdruck, verstopfter Nase bis hin zum anaphylaktischen Schock. Sie habe deshalb immer ein Notfallset bei sich. Andere Präparate als DAOSiN® vertrage sie nicht. So sei die Therapie mit Triam-Spritzen nicht erfolgreich gewesen. Die Behandlung mit Xolair sei wegen Unverträglichkeiten abgebrochen worden. Durch Prednisolon sei das Immunsystem geschwächt worden. Es sei zu Magenproblemen, Verdünnung der Haut mit einhergehenden Verletzungen und Osteoporose gekommen. Auch eine Sensibilisierung habe bislang keinen Erfolg gehabt. Sie verweise auf die Bestätigungen des behandelnden Internisten vom 13.10.2018 und 23.09.2019.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe weder Anspruch auf Kostenübernahme noch auf Kostenerstattung. Ein Ausnahmefall vom in § 2 A...