Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung von im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten des Wehrdienstes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit des § 256a Abs 4 SGB 6

 

Orientierungssatz

Die Regelung des § 256a Abs 4 SGB 6 verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2023; Aktenzeichen 1 BvR 1509/23)

BSG (Beschluss vom 15.06.2023; Aktenzeichen B 5 R 217/22 B)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 7. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem seine Klage auf höhere Bewertung der Pflichtbeitragszeiten wegen der Ableistung des Grundwehrdienstes abgewiesen worden ist.

Der 1955 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 1. November 1973 bis 30. April 1975 im Beitrittsgebiet den gesetzlichen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee.

Mit Rentenbescheid vom 15. Oktober 2020 bewilligte ihm die Beklagte ab dem 1. November 2020 Regelaltersrente. Es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 1.325,97 €. Nach der Anlage des Bescheides (Versicherungsverlauf) wurde der Zeitraum vom 1. November 1973 bis 30. April 1975 als Pflichtbeitragszeit für Wehrdienst berücksichtigt und die Zeiten wurden mit 0,75 Entgeltpunkten (EP) pro Jahr bewertet.

Am 27. Oktober 2020 ging der Widerspruch des Klägers ein, der sich gegen die Bewertung der Grundwehrdienstzeit mit 0,75 EP pro Jahr nach § 256a Abs. 4 SGB VI richtete. Es läge ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil kein Sachgrund für die vom Gesetzgeber vorgenommene unterschiedliche Bewertung der Grundwehrdienstzeiten im Altbundesgebiet und im Beitrittsgebiet ersichtlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. März 2021 wurde der Widerspruch unter Berufung auf die eindeutige gesetzliche Regelung des § 256a Abs. 4 SGB VI zurückgewiesen. Der Widerspruchsausschuss habe nicht über die Verfassungsmäßigkeit zu befinden.

Hiergegen hat der Kläger am 1. April 2021 Klage erhoben und seine Begründung wiederholt und vertieft. Die pauschale Beitragszahlung des Bundes stelle keinen rechtfertigenden Grund eines höheren Leistungsanspruches dar.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Juni 2022 wurde die Klage abgewiesen. § 256a Abs. 4 SGB VI sei eindeutig. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestünden nicht. Insoweit verwies das Sozialgericht auf die Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 19. April 2022, L 5 R 509/21.

Gegen den ihm am 9. Juni 2022 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28. Juni 2022 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter. Nach Auffassung des Klägers genügten die Pauschalbeitragszahlungen für Grundwehrdienstleistende der Bundeswehr den Anforderungen des Bundessozialgerichts an einen höheren Leistungsanspruch nicht. Eine tatsächliche Beitragszahlung der Versicherten habe nicht vorgelegen, so dass die vom Gesetzgeber angeführte Begründung für die in demselben Zeitraum bei der NVA abgeleisteten Zeiten nicht trage. Er verbleibe bei der Rechtsauffassung, wonach § 256a Abs. 4 SGB VI mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 7. Juni 2022 und Aufhebung bzw. Änderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, der Bewertung der Pflichtbeitragszeit wegen der Ableistung des Grundwehrdienstes 1,0 statt 0,75 Entgeltpunkte (Ost) pro Jahr zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält an ihrer Rechtsansicht fest.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 13. Oktober 2022 (Kläger) und 30. September 2022 (Beklagte) mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht nach § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat in diesem Bescheid zu Recht die Grundwehrdienstzeit vom 1. November 1973 bis 30. April 1975 mit 0,75 statt 1,0 Entgeltpunkten (Ost) pro Jahr bewertet.

Rechtsgrundlage für die Bewertung von Grundwehrdienstzeiten im Beitrittsgebiet ist § 256a Abs. 4 SGB VI. Danach werden für Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Personen aufgrund gesetzlicher ...

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