Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Mehrbedarf für behinderte Menschen in Ausbildung. Bezug von Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 3 SGB 12. abschließende Aufzählung. keine erweiternde Auslegung aufgrund der Rechtsprechung des BSG zu § 21 Abs 4 SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mehrbedarf für behinderte Menschen in Ausbildung nach § 30 Abs 4 S 1 SGB 12 setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte tatsächlich Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 3 SGB 12 von einem Träger der Sozialhilfe erhält.

2. Die Aufzählung der mehrbedarfsauslösenden Bildungsmaßnahmen in § 30 Abs 4 S 1 SGB 12 ist abschließend.

3. Eine erweiternde Auslegung des § 30 Abs 4 S 1 SGB 12 ist nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG zu § 21 Abs 4 SGB 2 (vgl BSG vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 9 und vom 6.4.2011 - B 4 AS 3/10 R = SozR 4-4200 § 21 Nr 11) geboten. Denn dort wurde der Kreis der erfassten Bildungsmaßnahmen gerade nicht erweitert, sondern vielmehr auf regelförmige Maßnahmen begrenzt.

 

Normenkette

SGB II §§ 20, 21 Abs. 4 S. 1; SGB IX §§ 33, 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1; SGB XII § 30 Abs. 4 S. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. November 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten werden für das Berufungsverfahren nicht erstattet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der am ...1983 geborene, geistig behinderte Kläger bezieht vom Beklagten neben Leistungen des ambulant betreuten Wohnens Grundsicherungsleistungen nach §§ 41 ff. SGB XII. Ihm wurde beginnend ab dem 22.11.2005 unbefristet ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 zuerkannt. Nachdem er bereits im Jahr 2006 erfolglos das Eingangsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) durchlaufen hatte, nahm er ab dem 12.11.2007 erneut eine Tätigkeit in der WfbM der Lebenshilfe e.V. auf. Die Maßnahme erfolgte in Trägerschaft der Agentur für Arbeit L… als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Er absolvierte zunächst erfolgreich das Eingangsverfahren und wechselte ab dem 05.12.2007 in den Berufsbildungsbereich. Dem Kläger wurde für die Dauer der Maßnahme Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 57,00 €, ab 01.08.2008 in Höhe von monatlich 62,00 € sowie ab 05.09.2008 in Höhe von monatlich 73,00 € von der Agentur für Arbeit L… bewilligt. Von dem Beklagten bezog er für die Maßnahme in der WfbM keine Leistungen der Eingliederungshilfe.

Mit Bescheid vom 12.02.2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII in Höhe von monatlich 468,99 € beginnend ab dem 12.11.2007 und lehnte gleichzeitig die von dem Kläger beantragte Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 4 SGB XII ab. Den gegen die Ablehnung des Mehrbedarfs am 19.02.2008 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2008 als unbegründet zurück. Ein Mehrbedarf würde den - im Fall des Klägers nicht gegebenen - Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII voraussetzen.

Der Kläger hat am 23.05.2008 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage gegen den Bescheid vom 12.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2008 erhoben und darauf verwiesen, dass der Mehrbedarf über den Wortlaut des § 30 Abs. 4 SGB XII hinaus auch behinderten Menschen in Werkstätten zustünde. Dementsprechend würden dies die Sozialhilferichtlinien der Bundesländer vorsehen.

Die Maßnahme des Klägers im Berufsbildungsbereich der WfbM wurde zunächst für den Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 04.12.2009 verlängert. Allerdings wurde die Maßnahme zum 07.10.2009 seitens der Werkstatt beendet, da der Kläger ab dem 08.10.2009 unentschuldigt gefehlt hatte.

Mit Urteil vom 25.11.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 4 SGB XII stehe dem Kläger nicht zu. Der nach dem Gesetzeswortlaut erforderliche Bezug von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII sei nicht gegeben. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den Bezug anderer als der in § 54 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII genannten Leistungen komme nicht in Betracht. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) zu § 21 Abs. 4 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgeführt, dass die Frage der Beauftragung oder Kostenträgerschaft für die fraglichen Leistungen unbeachtlich sei, da die Mehrbedarfe allein bei der Situation des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ansetzen würden. Die Rechtsprechung zu § 21 Abs. 4 SGB II sei jedoch im Hinblick auf die Unterschiede der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII nicht auf § 30 Abs. 4 SGB XII übertragbar. Das SGB II sei ein erwerbszentriertes Grundsicherungssystem, das den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen größere Selbsthilfeverpflichtungen auferlege und diese mit der Zielrichtung ihrer Eingliederung in Arbeit för...

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