Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Ausnahme vom Leistungsausschluss von Auszubildenden. Unterkunft und Heizung. Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung. Abgrenzung von Mietschulden. Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachzahlungsforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Fall einer Ausnahme vom Leistungsausschluss von Auszubildenden gem § 7 Abs 6 Nr 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG.
2. Die Übernahme der Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung ist keine eigenständige Leistung, die gem § 37 SGB 2 gesondert beantragt werden muss. Die Nachzahlungsforderung ist ein Posten bei den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.
3. Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 anzusehen und nicht als Schulden nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs 5 SGB 2 zu übernehmen (Fortführung von LSG Chemnitz vom 3.4.2008 - L 3 AS 164/07).
4. Grundsätzlich verursacht auch eine Nachzahlungsforderung für eine im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung nicht mehr bewohnte Unterkunft eine aktuelle Bedarfslage iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 30. Mai 2008 wird, soweit die Klage der Klägerin abgewiesen wurde, aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2007, den Bescheid vom 15. August 2006 abzuändern und der Klägerin weitere Kosten der Unterkunft für den Monat September 2006 in Höhe von 212,30 EUR zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme einer im September 2006 fälligen Betriebskosten- und Heizmittelnachzahlung in Höhe von 212,30 EUR, welche aus einer Betriebskosten- und Heizmittelabrechnung für das Jahr 2005 aus einem im Februar 2006 beendeten Mietverhältnis resultiert.
Die Klägerin bezog durchgängig Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Die Klägerin beantragte erstmals am 18. Februar 2005 - allerdings erfolglos - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Zu diesem Zeitpunkt bewohnte sie eine Wohnung in der S. 7 in 09496 M. . Das Mietverhältnis bestand vom 1. April 2004 bis einschließlich 14. März 2005 zwischen den Stadtwerken M. GmbH und dem “Sozialpädagogischen Erziehungs- und Familienhelfer e.V.„, welcher für die Betreuung der Klägerin bis dahin zuständig war. Mit Wirkung zum 15. März 2005 begründete die volljährig gewordene Klägerin mit der Stadtwerke M. GmbH ein eigenes Mietverhältnis für die vorgenannte Wohnung. Die zu entrichtende Gesamtmiete betrug 174,69 EUR.
Die Mutter der Klägerin wohnte ausweislich des Erstantrages ebenfalls in M. . Ihr Vater hat eine Wohnung in dem knapp 100 km entfernten K. (S. Sch. ).
Auf den zweiten Antrag der Klägerin hin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 5. August 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis 31. Januar 2006 in Höhe von monatlich 373,51 EUR.
Am 28. Februar 2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie in ihre aktuelle Wohnung in der Scheffelstraße 16 in 09496 M. umziehen werde. Der Mietvertrag wurde am 27. März 2006 “mit Wirkung zum 01.03.2006„ unterzeichnet. Der Umzug erfolgte am 1. März 2006. Die Klägerin hatte für diese Wohnung eine Grundmiete in Höhe von 175,50 EUR zu entrichten. Für den Bezug von Heizmitteln sowie für die allgemeinen Betriebskosten der Wohnung waren Vorauszahlungen im Umfang von insgesamt 74,10 EUR zu zahlen. Das Wasser wurde über den zentralen Heizkreislauf erhitzt.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18. Januar 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. März 2006 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Februar 2006 bis 31. Juli 2006.
Mit Bescheid vom 15. August 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. August 2006 bis 31. Januar 2007 in Höhe von monatlich 462,42 EUR. Neben dem Regelbedarf in Höhe von 345,00 EUR anerkannte die Beklagte dabei auch Unterkunfts- und Heizmittelkosten im Umfang von 241,42 EUR. Dies entspricht der geschuldeten Gesamtmiete abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von 8,18 EUR. Die Beklagte rechnete das der Klägerin zufließende Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR als Einkommen an. Über ein eigenes Fahrzeug verfügte die Klägerin im Jahr 2006 nicht.
Ab dem 4. September 2006 besuchte die Klägerin die Fachoberschule für W. und V. am Beruflichen Schulzentrum für Wirtschaft und Hauswirtschaft M. . Mit Bescheid vom 8. November 2006 lehnte das Landratsamt Mittlerer Erzgebirgskreis - Amt für Ausbildungsforderung - eine Berufsausbildungsförderu...