Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht bei unzureichender Amtsermittlung
Orientierungssatz
1. Ein Verfahrensmangel i. S. des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts darauf beruhen kann. Bei Verfahrensfehlern, die absolute Revisionsgründe sind, beruht das Urteil stets auf dem Verfahrensmangel.
2. Der Erlass eines Gerichtsbescheides ist nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGG nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Dieser gilt nur dann als geklärt, wenn aufgrund des Sachvortrags der Beteiligten und der beigezogenen Akten Zweifel hinsichtlich des Sachverhalts ausgeschlossen sind.
3. Der Begriff des GdB umschreibt nicht einen medizinischen, sondern einen rechtlichen Begriff. Seine Feststellung ist nicht Aufgabe von Sachverständigen. Die Feststellung beruht auf einer rechtlichen Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind.
4. Bei einem entsprechenden Verfahrensmangel kann das Berufungsgericht den Rechtstreit an das Sozialgericht zur erforderlichen Ermittlung zurückverweisen.
Normenkette
SGG § 12 Abs. 1 Nr. 1, §§ 103, 105 Abs. 1 S. 1, §§ 106, 125, 159 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 202 S. 1; ZPO § 547; SGB IX § 69; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Chemnitz zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 20.
Die am 00. 00. 1959 geborene Klägerin stellte am 27. Mai 2013 bei dem Beklagten einen Antrag auf Feststellung einer Behinderung, des GdB und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises nach § 69 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX).
Befundberichte wurden eingeholt von Dr. H. (Facharzt für Allgemeinmedizin in F., vom 27. Juni 2013) und von Frau Dipl.-Med. K. (Fachärztin für Orthopädie in H.), die unter dem 6. August 2013 folgenden Diagnosen mitteilte:
Koxarthrose beidseits und Vorhandensein von orthopädischen Gelenkimplantaten links (aktuelle Diagnose vom 1. Juli 2013); Dauerdiagnose: Senk-Knick-Spreizfuß beidseits.
Für den Ärztlichen Dienst gelangte Dr. Z. am 14. August 2013 zur Einschätzung eines Gesamt-GdB von 10 (Gelenkersatz der Hüfte links - Einzel-GdB 10, Bluthochdruck - Einzel-GdB 0 - und Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes rechts - Einzel-GdB 0).
Mit Bescheid vom 28. August 2013 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Eine Behinderung im Sinne des SGB IX werde nicht festgestellt. Bei der Klägerin liege die Funktionseinschränkung "Gelenkersatz der Hüfte links" vor. Die von ihr geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes rechts, Bluthochdruck" stellten keine Funktionsbeeinträchtigungen dar, die eine Auswirkung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hätten, weil der gesetzliche Mindestgrad von 10 nicht erreicht worden sei. Um eine Feststellung nach dem SGB IX treffen zu können, müsse sich gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX aus den vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen mindestens ein GdB von 20 ergeben. Die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen bedingten aber insgesamt keinen GdB von wenigstens 20.
Dagegen legte die Klägerin am 25. September 2013 Widerspruch ein. Es bestünden Funktionsstörungen und eine dauernde Beweglichkeitsstörung durch den Gelenkersatz der Hüfte links, Schrauben und Platte im Bereich der Schulter rechts und eine dauernde Minderung der Beweglichkeit des Daumens links durch Zertrennung der Sehnen.
Von den BG-K. in H. wurden medizinische Unterlagen beigezogen.
Für den Ärztlichen Dienst nahm Dr. J am 15. Oktober 2013 Stellung. Es verblieb bei der bisherigen Einschätzung des Ärztlichen Dienstes.
Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen vom 6. November 2013).
Hiergegen hat sich die am 25. November 2013 beim Sozialgericht Chemnitz (SG) erhobene Klage gerichtet.
Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Klägerin einen Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in H. vom 8. November 2001, einen Arztbrief derselben Einrichtung vom 15. Januar 2002 und einen Entlassungsbericht der Klinik für Orthopädie des Klinikums D. vom 10. Mai 2013 (Diagnosen: Coxarthrose links, arterielle Hypertonie, Z. n. multiplen Schulterluxationen rechts; Therapie: 26 April 2013: Implantation einer Hüft-TEP links) vorgelegt.
Ein Befundbericht wurde eingeholt von Frau Dipl.-Med. K., die am 8. November 2014 als Diagnosen benannte: Coxarthrose links, Zustand nach Implantation Hüft-TEP links 4/2013, intermittierend akutes...