Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Arbeitsentgelt. Schätzung der Höhe einer glaubhaft gemachten Jahresendprämie. Zeugenaussagen. Patentvergütung. Neuererprämie. Prämie anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels Kollektiv der sozialistischen Arbeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht, kann die Höhe der als zusätzliches Arbeitsentgelt zu berücksichtigenden Jahresendprämien geschätzt werden, auch wenn deren Höhe weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden kann.
2. Der Zufluss von Patentvergütungen und Neuererprämien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach kann im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, Patentschriften, Nutzen- und Vergütungsmitteilungen, glaubhaft gemacht werden.
3. Prämien anlässlich der Verleihung oder Verteidigung des Ehrentitels Kollektiv der sozialistischen Arbeit stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt iS der §§ 6 Abs 1 S 1 AAÜG, 14 Abs 1 S 1 SGB 4 dar, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurden und keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen beinhalteten.
Orientierungssatz
1. Zum Leitsatz 1: Anschluss an LSG Chemnitz vom 4.2.2014 - L 5 RS 462/13 und vom 28.4.2015 - L 5 RS 450/14 sowie Weiterentwicklung von LSG Chemnitz vom 13.11.2012 - L 5 RS 192/12 und L 5 RS 605/11, vom 2.10.2012 - L 5 RS 789/10, vom 18.9.2012 - L 5 RS 716/10 und L 5 RS 322/11 sowie vom 7.8.2012 - L 5 RS 439/10; vgl BSG vom 4.5.1999 - B 4 RA 6/99 R = SozR 3-8570 § 8 Nr 3.
2. Zur Berechnung der geschätzten Höhe einer glaubhaft gemachten Jahresendprämie.
3. Die Neuerer- und Erfindertätigkeit wurde überwiegend unter denselben oder unter sehr ähnlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb geleistet wie die täglich durch die Werktätigen auf Grund des Arbeitsvertrages zu erbringenden Arbeitsleistungen. Deshalb wurden in diesen Fällen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen auf das Neuererrechtsverhältnis analog angewendet und der Werktätige juristisch so gestellt, als würde er im Rahmen des Arbeitsrechtsverhältnisses handeln.
4. Zur Berechnung der Vergütungen für Neuerungen und Erfindungen in der ehemaligen DDR.
Normenkette
AAÜG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 8 Abs. 1; AAÜG Anl. 1 Nr. 1; AGB DDR § 28 Abs. 1-2, § 116; SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1; SGB VI § 256a Abs. 2; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2; SGG § 128 Abs. 1, § 202; ZPO § 287 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. April 2014 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2012 verurteilt, den Bescheid vom 10. August 2005 in der Fassung des Bescheides vom 8. November 2013 dahingehend abzuändern, dass weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1971 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen, für die Jahre 1974 und 1976 wegen zu berücksichtigender Neuererprämien und für die Jahre 1981 und 1984 wegen zu berücksichtigender Patentvergütungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt zu berücksichtigen sind:
Für das Jahr:
1971 |
75 M |
1972 |
489 M |
1973 |
542 M |
1974 |
653 M |
1975 |
575 M |
1976 |
760 M |
1977 |
649 M |
1978 |
647 M |
1979 |
678 M |
1980 |
726 M |
1981 |
2.264 M |
1982 |
724 M |
1983 |
696 M |
1984 |
1.732 M |
1985 |
734 M |
1986 |
736 M |
1987 |
748 M |
1988 |
809 M |
1989 |
811 M |
1990 |
811 M |
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu fünf Sechsteln.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten - im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens - über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Jahre 1970 bis 1990 in Form jährlicher Jahresendprämien, zweier Patentvergütungen, zweier Neuererprämien und zweier Prämien für den Ehrentitel “Kollektiv der sozialistischen Arbeit„ festzustellen.
Dem 1945 geborenen Kläger wurde, nach einem Studium in der Fachstudienrichtung Feingerätetechnik an der Technischen Universität D… in der Zeit von März 1966 bis September 1970, mit Urkunde vom 6. November 1970 der akademische Grad “Diplomingenieur„ verliehen. Er war vom 5. Oktober 1970 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Konstruktionsingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Messgerätewerk Z… beschäftigt. Er war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.
Mit Bescheid vom 10. August 2005 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen von §...