Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. Auslegung des Antrags. Übernahme der Beiträge von Beziehern von Arbeitslosengeld. kein gesonderter Befreiungsbescheid für Erstattung zu Unrecht aus dem Arbeitslosengeld einbehaltener Beiträge. tätigkeitsbezogene Befreiungsmöglichkeit. keine Gleichstellung mit dem Bezug von Arbeitslosengeld
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ausdrücklich auf die Regelung in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 gestützter Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht ist nicht dahingehend auszulegen, dass - hilfsweise - auch die Feststellung des Nichtbestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begehrt werde.
2. Die Regelung in § 207 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 3 (in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung) betrifft ausschließlich Fälle der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 und nicht Fälle der - fehlerhaften - Annahme von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
3. Für die Erstattung bzw Weiterleitung zu Unrecht aus dem Arbeitslosengeld einbehaltener Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es keines gesonderten, feststellenden "Befreiungsbescheides".
Orientierungssatz
Die Befreiung von der Versicherungspflicht gem § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 erfordert die tatsächliche Ausübung einer berufsspezifischen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Es handelt sich um eine tätigkeits- und nicht um eine personenbezogene Befreiungsmöglichkeit. Der Bezug von Arbeitslosengeld ist einer berufsspezifischen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht gleichzustellen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf Grund einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwältin, wegen der die Klägerin Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist.
Die 1967 geborene Klägerin absolvierte vom 3. Juli 2007 bis 21. September 2009 das Rechtsreferendariat. Die Nachentrichtung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde für diesen Zeitraum nach § 184 Abs. 2 SGB VI zunächst aufgeschoben (im Ergebnis erfolgte eine Nachversicherung an das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk). Ab 22. September (bis 1. Juni 2010) bezog sie Arbeitslosengeld. Im Bewilligungsbescheid vom 7. Oktober 2009 ging die Bundesagentur für Arbeit (BA) von Versicherungspflicht u. a. in der gesetzlichen Rentenversicherung aus und entrichtete die entsprechenden Beiträge. Seit dem 9. Dezember ist die Klägerin als Rechtsanwältin zugelassen und Mitglied im Sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk.
Ihren Antrag vom 21. Dezember 2009 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Mai 2010 mit der Begründung ab, eine Befreiung nach dieser Vorschrift erfordere die tatsächliche Ausübung einer berufsspezifischen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit. Es handele sich um eine tätigkeits- und nicht um eine personenbezogene Befreiungsmöglichkeit. Da sie tatsächlich einer Tätigkeit im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht nachgehe - bzw. im streitigen Zeitraum nicht nachgegangen sei -, komme eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach dieser Vorschrift nicht in Betracht. Der Bezug von Arbeitslosengeld sei einer berufsspezifischen Beschäftigung oder Tätigkeit nicht gleichzustellen.
Die am 9. Juni 2010 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig (SG) mit Gerichtsbescheid vom 24. Januar 2011 unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgewiesen und ergänzend ausgeführt, dem zusätzlich geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich der zur gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Beiträge stehe sowohl die Bestandskraft des Bescheides der BA vom 7. Oktober 2009 als auch die alleinige Berechtigung der BA nach § 26 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) als derjenigen, die nach § 170 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI die Beiträge getragen habe, entgegen.
Mit der am 2. Mai 2011 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehr weiter. Sie habe im streitgegenständlichen Zeitraum nachweislich nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen. In diesem allumfassenden Sinne sei ihr Befreiungsantrag vom 21. Dezember 2009 zu verstehen gewesen. Eine Versicherungspflicht habe insbesondere auch nicht auf Grund des Bezuges von Arbeitslosengeld nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestanden, da sie im letzten Jahr vor Beginn dieser Leistung nicht ...