Entscheidungsstichwort (Thema)

Hirnblutung. Arbeitsunfall. Kausalität. Gelegenheitsursache. Vorschädigung. Betriebsüblichkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für die Frage, ob eine versicherte Tätigkeit zu einem Gesundheitsschaden geführt hat, kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit “betriebsüblich” war.

2) War eine versicherte Tätigkeit ursächlich für einen Gesundheitsschaden, scheidet die Annahme eines Arbeitsunfalls nur dann aus, wenn der Schaden auch ohne die versicherte Tätigkeit etwa zur gleichen Zeit eingetreten wäre; hierfür trägt der Unfallversicherungsträger die Beweislast.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 1, § 548 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 06.11.2000; Aktenzeichen S 7 U 181/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Anerkennung einer Gehirnblutung als Unfallfolge).

Am 29. August 1995 schlug der 1940 geborene Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Baumaschinenführer zusammen mit zwei Arbeitskollegen mit einem etwa 5 kg schweren Vorschlaghammer eine Eisenstange in den Boden, der aus Schotter und Mineralbeton bestand. Die Arbeitskollegen und der Kläger wechselten sich mit dem Schlagen ab. Dieses Einschlagen der Eisenstange war wegen der Umsetzung eines Baucontainers erforderlich geworden. Bei dieser Arbeit wurde dem Kläger plötzlich übel und schwindlig, zusätzlich verspürte er einen starken Schmerz im Kopf und suchte den Unterkunftscontainer auf, um sich etwas auszuruhen. Nachdem er dort auf einem Stuhl zusammengesackt war, wurde er vom herbeigerufenen Notarzt ins Krankenhaus eingewiesen, wo eine intracerebrale rechtshemissphärische Massenblutung (Gehirnblutung, Schlaganfall) diagnostiziert und der Kläger sofort operiert wurde. Eine histologische Untersuchung der bei der Operation entnommenen Hämatomanteile ergab eine frische oder nur wenige Tage alte Blutung. Eine Missbildung von Gehirngefäßen als Blutungsursache wurde durch eine Panangiographie ausgeschlossen. Der Kläger wurde bis Ende Oktober 1995 stationär behandelt, es schloss sich eine stationäre Rehabilitation an.

Zuvor bereits am 18. August 1995 war der Kläger mit einer Rolle Dachpappe auf der Schulter auf seinem Garagendach gestolpert, auf dem Gesäß vom Garagendach gerutscht, hatte sich aber außer Abschürfungen im Gesicht keine weiteren Verletzungen zugezogen und seine Arbeit fortgesetzt, ohne einen Arzt aufzusuchen. Die private Unfallversicherung des Klägers lehnte die Gewährung von Leistungen aufgrund des Unfallereignisses vom 18. August 1995 ab, da nach den getroffenen Feststellungen keine Anzeichen einer Schädel-Hirn-Verletzung vorgelegen hätten und anhand des unmittelbar nach dem Unfallereignis vom 29. August 1995 erstellten Computertomogramms (CT) eine frische Gehirnblutung festgestellt worden sei.

Die Beklagte wandte sich an den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z., W., der in seinem Gutachten vom 5. September 1996 ausführte, bezüglich bereits vor dem Unfallereignis vom 29. August 1995 vorliegender gefäßwirksamer Risikofaktoren könnten nur Vermutungen angestellt werden. Allerdings komme sowohl die Übergewichtigkeit des Klägers als auch sein arterieller Bluthochdruck als Risikofaktor für einen Schlaganfall in Betracht. Das Unfallereignis vom 18. August 1995 sei als Ursache der Gehirnblutung vom 29. August 1995 auszuschließen, da der Kläger nach dem Sturz vom Garagendach beschwerdefrei gewesen sei. Eine am 18. August 1995 erlittene intrazerebrale Blutung hätte jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bereits vor dem 29. August 1995 Beschwerden verursacht. Jedoch sei auch die eine besondere Kraftanstrengung erfordernde Tätigkeit des Klägers am 29. August 1995 nicht als rechtlich wesentliche Ursache der Hirnblutung anzusehen. Vielmehr scheine die Hirnblutung rechtlich wesentlich auf den arteriellen Bluthochdruck zurückzuführen zu sein. Hierfür spreche, dass die Blutung in einer für bluthochdruckbedingte Hirnblutungen typischen Region des Gehirns erfolgt sei.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da zwischen dem Schlaganfall und der am 29. August 1995 ausgeübten beruflichen Tätigkeit kein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 28. Mai 1997 zurück.

Am 30. Juni 1997 hat der Kläger das Sozialgericht Dresden (SG) angerufen und zur Begründung ausgeführt, es habe sich bei dem Einschlagen der Eisenstange um eine extrem anstrengende körperliche Tätigkeit gehandelt, die zudem bei großer Hitze und Sonneneinstrahlung durchgeführt worden sei. Vorerkrankungen seien nicht nachgewiesen, da Dr. Z. insofern selbst ausgeführt habe, diesbezüglich nur Vermutunge...

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