Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeldanspruch. neues Insolvenzverfahren. einheitliches Insolvenzereignis. Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses. Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens. andauernde Zahlungsunfähigkeit. Verfassungsmäßigkeit. Eigentumsgarantie. richterliche Rechtsfortbildung. Richtlinienkonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein neues Insolvenzereignis tritt nicht ein und kann folglich auch keine Ansprüche auf Insolvenzgeld auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (Anschluss an BSG vom 21.11.2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3).
2. Gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einem einheitlichen Insolvenzereignis bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist weder ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz nach Art 14 Abs 1 GG noch ein Verstoß gegen die Grundsätze richterlicher Rechtsfortbildung festzustellen.
Normenkette
SGB III a.F. § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 358 Abs. 1; InsO § 17 Abs. 2, § 258 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; RL (EG) 987/80 Art. 2-4
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagen wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 10. Juni 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld nach § 183 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) für die Zeit vom 1. September 2006 bis zum 20. Oktober 2006 aufgrund eines zweiten Insolvenzereignisses seines Arbeitgebers T… B… J… e. K., Inhaber Dr. A. T….
Mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 1. Oktober 2004 (Az. 13 IN 2642/04) war erstmals über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Beklagte gewährte daraufhin dem Kläger, der bei seinem Arbeitgeber seit dem 15. März 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hatte, Insolvenzgeld. Nachdem der damalige Insolvenzverwalter Rechtsanwalt W… zunächst das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger zum 29. Oktober 2004 gekündigt hatte, beschäftigte er ihn ab Februar 2005 mehrfach mit kurzzeitigen befristeten Arbeitsverträgen wieder im Unternehmen. Ab dem 30. Juni 2005 erhielt der Kläger wiederum einen unbefristeten Arbeitsvertrag, der zum 6. Februar 2006 gekündigt wurde. Dem schloss sich eine befristete Vollbeschäftigung in der Zeit vom 13. Februar 2006 bis zum 28. Februar 2006 an. Vom 1. März 2006 bis zum 23. April 2006 war der Kläger geringfügig beschäftigt. Zuletzt erfolgte ab dem 24. April 2006 bis zur endgültigen Kündigung zum 20. Oktober 2006 eine Vollbeschäftigung im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger beantragte am 7. Dezember 2006 die Gewährung von Insolvenzgeld für Arbeitnehmer aufgrund der Insolvenz seines Arbeitgebers, nachdem dieser am 28. November 2006 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2006 (Az. 15 IN 4101/06) eröffnete das Amtsgericht Chemnitz das Insolvenzverfahren und bestellte Rechtsanwalt S… (Z…) zum Insolvenzverwalter. Zu diesem Zeitpunkt stand das Gehalt des Klägers für die Monate September und Oktober 2006 in Höhe von 2.256,91 EUR (= 1.411,42 EUR netto) und 1.658,58 EUR (= 1.018,36 EUR netto) aus.
Während des ersten Insolvenzverfahrens hatte der Insolvenzverwalter unter dem 23. März 2005 einen Insolvenzplan erstellt, der am 28. April 2005 durch die Gläubiger angenommen und mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. Mai 2005 bestätigt worden war. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans war das Insolvenzverfahren gemäß § 258 der Insolvenzordnung (InsG) durch Beschluss vom 3. Juni 2005 aufgehoben worden. Nach § 14 des Insolvenzplans war eine Überwachung durch den ehemaligen Insolvenzverwalter festgelegt worden, die bis zum Ende der aus dem Plan eingegangenen Verpflichtungen, längstens drei Jahre, erfolgen sollte. Mit Sachstandsbericht vom 16. Juni 2006 hatte der Insolvenzverwalter das Insolvenzgericht darüber unterrichtet, dass die Verbindlichkeiten bislang nach Plan mit einer Quote von 2,33 % (Stand: 31. Dezember 2005) erfüllt worden seien. Es bestünden ein negatives Betriebsergebnis von etwa 32.000 EUR sowie Zahlungsrückstände von etwa 32.000 EUR, deren Ausgleich durch kurzfristige Eingänge erfolgen solle. Am 28. November 2006 hatte der Insolvenzverwalter schließlich das Insolvenzgericht darüber unterrichtet, dass wegen neuer Verbindlichkeiten von über 350.000 EUR eine Planerfüllung nicht mehr gewährleistet sei. Noch am gleichen Tag hatte der Arbeitgeber einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Der neue Insolvenzverwalter Rechtsanwalt S… erstellte zuletzt am 1. November 2012 einen Schlussbericht. Am 24. Juli 2013 erging der Beschluss über die Restschuldbefreiung nach Erfüllung der Quote von 2,55 %. Der Kläger erhielt lediglich rückständigen Lohn in Höhe von 62,05 EUR.
Mit Bescheid vom 19. Ja...