Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- und Vermögensberücksichtigung. Einmalzahlung aus privater Unfallversicherung. Ansparung in Form eines Sparbriefs. Verwertbarkeit. Hilfebedürftigkeit. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit. Besondere Härte. Zweckbestimmte Einnahme. Entschädigung. Bedarfszeitraum. Rücknahme. Grobe Fahrlässigkeit. Erstattung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Leistung aus einer privaten Unfallversicherung wegen Invalidität stellt kein geschütztes Einkommen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a oder Nr 2 SGB 2 dar.
2. Die Verwertung des aus dieser Leistung angesparten Vermögens (hier: in Gestalt eines Sparbriefes) bedeutet daher auch keine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2.
3. Maßgebend für die Vermögensberücksichtigung ist stets der aktuelle Bedarfszeitraum, so dass es auf das darin tatsächlich vorhandene und nicht etwa fiktives Vermögen ankommt. Dies hat zur Folge, dass ein den Freibetrag übersteigendes und tatsächlich vorhandenes Vermögen über den gesamten Anspruchszeitraum hinweg mit seinem vollen jeweiligen Wert angesetzt und dem Antragsteller dadurch Monat für Monat aufs neue entgegengehalten werden kann, dass er seinen Bedarf zunächst durch Verwertung dieses Vermögens unabhängig davon decken muss, ob es zur Deckung des Bedarfs für den gesamten Bedarfszeitraum ausreicht (so auch zum BSHG: BVerwG vom 19.12.1997 - 5 C 7/96 = BVerwGE 106, 105) oder die Verwertbarkeit des Vermögens für einen vorhergehenden Leistungszeitraum im Streit steht (BVerwG, aaO).
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nrn. 1a, 2, § 12 Abs. 1, 2 Nrn. 1, 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 6, § 40 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 2 S. 1; SGB III § 330 Abs. 2, § 335 Abs. 1, 5; SGB X §§ 24, 45 Abs. 2 Sätze 1, 3 Nrn. 2-3, Abs. 4 S. 2, § 50; BGB § 253 Abs. 2
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 27. August 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und die hieran anknüpfende Erstattungsforderung der Beklagten.
In seinem Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II vom 18. Oktober 2004 gab der am 04. März 1958 geborene Kläger an, er verfüge über 30,00 € Bargeld sowie eine private Rentenversicherung mit einem Rückkaufswert von 1.164,97 €. Die im Erklärungsvordruck enthaltene Frage nach dem Vorhandensein von Sparbriefen oder sonstigen Wertpapieren verneinte er durch Ankreuzen eines Auswahlfeldes.
Mit Bescheid vom 24. November 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 598,94 €, das sich aus Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 350,35 € (Regelleistung von 331,00 € abzüglich anzurechnendes Einkommen aus einer Unfallrente in Höhe von 60,65 € zuzüglich eines befristeten Zuschlags nach Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 80,00 €) und der Erstattung der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 248,59 € zusammensetzten. In den Monaten Januar und Februar 2005 kamen an den Kläger jeweils 598,94 € zur Auszahlung, wohingegen sich wegen eines Krankenhausaufenthaltes der Auszahlbetrag für den März 2005 auf lediglich 483,09 € belief. Zusätzlich übernahm die Beklagte die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen für den Kläger in Höhe von monatlich 125,01 € sowie die Zahlung von Pflegeversicherungsbeiträgen in Höhe von monatlich 14,86 €.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2005 informierte die Agentur für Arbeit Oelsnitz die Beklagte von einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen und eine hierdurch veranlasste Nachfrage bei dem Kläger, woraus sich ergeben habe, dass dieser über einen Sparbrief mit einem Zeichnungsbetrag von 12.000,00 € verfüge. Beigefügt waren dem Schreiben neben einer Kopie der Sparbrief-Zeichnung ein Schreiben der G. Versicherung vom 17. April 2003, mit dem eine Invaliditätsleistung aus einer privaten Unfallversicherung in Höhe von 11.044,08 € gewährt wurde.
Mit Schreiben vom 23. März 2005 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2005 sowie die hieran anknüpfende Erstattung von Arbeitslosengeld II in Höhe von 1.680,97 €, Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von 375,03 € sowie Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 44,58 € an. Der Kläger wies in seiner Stellungnahme hierzu darauf hin, er habe am 19. Dezember 2001 einen Arbeitsunfall gehabt, zu dessen Ausgleich er im Jahr 2003 einen einmaligen Betrag von 11.044,08 € erhalten habe. Diesen Betrag habe er bei der Volksbank in O, als Sparbrief mit einer Laufzeit von zwei Jahren, nämlich vom 14. Juli 2003 bis 14. Juli 2005 angelegt. Er sei davon ausgegang...