Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. unzulässige Berufung des beigeladenen Leistungserbringers. Kostenerstattung bzw -freistellung nur bei schuldrechtlicher Verpflichtung des Versicherten zur Kostentragung. stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen kein geeigneter Ort iSd § 37 Abs 1 SGB 5. Verfahrenskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Berufung des beigeladenen Leistungserbringers gegen ein Urteil, das die Klage des Versicherten auf Gewährung von Leistungen abweist, ist unzulässig.
2. Ein Anspruch auf Kostenerstattung oder Kostenfreistellung setzt eine schuldrechtliche Verpflichtung des Versicherten gegenüber dem Leistungserbringer (sog Sekundärhaftung) voraus.
3. Eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet ist, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, war nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht kein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs 1 S 1 SGB V.
4. Ein in erster Instanz kostenfreies Verfahren kann im Rechtsmittelverfahren kostenpflichtig sein.
Tenor
I. Die Berufung der Beigeladenen zu 2 gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 28. März 2018 wird verworfen.
II. Die Beigeladene zu 2 trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1, die dieser selbst trägt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.637,60 € festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit stehen Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der 24-h-Krankenbeobachtung im Zeitraum vom 16.05.2013 bis 31.12.2013.
Die 1993 geborene Klägerin ist von Geburt an als Folge einer Alkoholembryopathie schwerbehindert (Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen "G", "aG" und "H"). Neben einer geistigen Retardierung und autoaggressivem Verhalten leidet sie u.a. an einer zerebralen Bewegungsstörung, einer Hüftluxation und einer Blasenentleerungsstörung; zudem besteht eine Schluckstörung und eine PEG-Sonde (perkutane endoskopische Gastrostomie) ist angelegt. Die Klägerin war seit ihrer Geburt ununterbrochen in stationären Wohnformen untergebracht. Seit Juli 2012 lebt sie in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Wohnstätte Y.... in A...., Städtischer Eigenbetrieb Behindertenhilfe [SEB]), deren Trägerin die Beigeladene zu 2 ist. Die Kosten hierfür trägt der Beigeladene zu 1 als Leistung der Eingliederungshilfe. Ausweislich der Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung (a.F.) handelt es sich bei der Wohnstätte Y.... um eine Einrichtung für erwachsene Menschen mit geistiger / Mehrfachbehinderung i.S.v. § 53 SGB XII a.F. und der Eingliederungshilfeverordnung mit unterschiedlichem Hilfebedarf. Ursprünglich erbrachte die Beigeladene zu 2 dort - neben allgemeinen Maßnahmen der Hilfe und Betreuung - soweit notwendig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Im Laufe des Jahres 2012 erfolgte nach den Angaben der Beigeladenen zu 2 eine "Umstellung" auf ein "neues System", wonach die medizinische Behandlungspflege auf "den ambulanten Pflegedienst des SEB übertragen" wurde. Während die Leistungsvereinbarung hinsichtlich Leistungstyp und Zielgruppe unverändert blieb, wurde die Vergütungsvereinbarung dahingehend geändert, dass Leistungen der Behandlungspflege nicht mehr Bestandteil der Vergütung seien (Vereinbarung vom 01.04.2012). Derartige Leistungen seien gegenüber dem zuständigen Kostenträger gesondert geltend zu machen. Mit Wirkung vom 01.01.2013 wurde der mit der Klägerin geschlossene Wohn- und Betreuungsvertrag geändert. § 8 des Vertrags bestimmt nunmehr: "Vorbehaltlich der Regelung mit dem Sozialhilfeträger (die Behandlungspflege ist nicht Bestandteil der Leistungsvergütungen mit dem KSV Sachsen - da diese Leistungen gemäß § 37 SGB V in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse fällt), werden die Leistungen der Behandlungspflege durch die Einrichtung organisiert und sichergestellt, sofern die Krankenkasse hier eine Kostenübernahmeerklärung erteilt hat (ggf. über Pflegedienst). Die reine Absicherung einer oralen Medikation (Arzneimittelgabe als Behandlungspflege) nach Verordnungsvorlagen durch den behandelnden Arzt, werden im Rahmen der Grundleistung durch die Einrichtung erbracht."
Am 28.05.2013 verordnete die behandelnde Ärztin der Klägerin für die Zeit vom 16.05.2013 bis 31.12.2013 häusliche Krankenpflege, die (u.a.) als sonstige Maßnahme der Behandlungspflege die "24 h Überwachung der Vitalfunktion" umfassen sollte.
Den am 18.06.2013 beim Beigeladenen zu 1 gestellten Antrag auf Genehmigung häuslicher Krankenpflege in Form von Krankenbeobachtung im Umfang von 24 Stunden täglich leitete dieser am 20.06.2013 an die beklagte Krankenkasse als seiner Ansicht nach zuständige Leistungsträgerin weiter.
Die Beklagte lehnte den Antrag...