Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Kostenerstattung bzw -freistellung nur bei schuldrechtlicher Verpflichtung zur Kostentragung. stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen kein geeigneter Ort iSd § 37 Abs 1 SGB 5. keine Anwendung des § 14 SGB 9 auf Leistungen der Behandlungspflege. keine Verurteilung des beigeladenen Trägers der Eingliederungshilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Kostenerstattung oder Kostenfreistellung setzt voraus, dass dem Versicherten vom Leistungserbringer die tatsächlich erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt worden sind.
2. Eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet ist, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, war nach dem bis zum 31.12.2016 geltenden Recht kein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs 1 S 1 SGB V.
3. Auf Leistungen der Behandlungspflege (§ 37 SGB V) findet § 14 SGB IX keine Anwendung.
4. Da Leistungen der Behandlungspflege (§ 37 SGB V) und Leistungen der Eingliederungshilfe nebeneinander bestehen können, kommt eine Verurteilung des beigeladenen Trägers der Eingliederungshilfe nach § 75 Abs 5 SGG nicht in Betracht.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit stehen Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form der 24-h-Krankenbeobachtung im Zeitraum vom 01.11.2014 bis 16.08.2016.
Der 2000 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist als Folge einer Herpes-Encephalitits schwerbehindert (im Streitzeitraum Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen "G", "aG", "B" und "H", Pflegestufe III). Neben einem Epilepsieleiden bestehen eine Intelligenzminderung und eine Verhaltensstörung mit Impulsdurchbrüchen.
Seit November 2014 lebte der Kläger in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (Wohnheim X.... in B...., Städtischer Eigenbetrieb für Behindertenhilfe [SEB]), deren Trägerin die Beigeladene zu 2 ist. Die Kosten hierfür übernahm die Beigeladene zu 1 als zuständige Trägerin der Eingliederungshilfe. An den Wochenenden wurde der Kläger regelmäßig von seiner Familie nach Hause geholt. Ausweislich der Leistungsvereinbarung (§ 75 Abs. 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung [a.F.]) handelt es sich bei dem Wohnheim um eine Einrichtung, die schwerstmehrfach behinderte Kinder und Jugendliche aufnimmt, wobei das Störungsbild durch eine erhöhte Pflegebedürftigkeit sowie eine medizinisch angezeigte Behandlungspflege gekennzeichnet ist. Die Behandlungspflege wird hierbei nicht vom Einrichtungsträger erbracht; dieser kann die Behandlungspflege sicherstellen, wenn hierfür eine zusätzliche Kostenübernahme durch die Krankenkasse erfolgt.
Am 03.11.2014 - dem Tag der Aufnahme in die Einrichtung - verordnete der behandelnde Arzt dem Kläger erstmals häusliche Krankenpflege, die (u.a.) als sonstige Maßnahme der Behandlungspflege eine "24 h spezielle Krankenbeobachtung mit Überwachung der Vitalwerte wegen Epilepsie und Krampfverhalten zur Abwendung lebensbedrohlicher Zustände" im Zeitraum 03.11.2014 bis 16.11.2014 umfassen sollte. Es folgten Folgeverordnungen für die Zeiträume vom 17.11.2014 bis 31.12.2015 (Verordnung vom 11.11.2014), vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 (Verordnung vom 07.12.2015) und vom 01.01.2017 bis 31.12.2017 (Verordnung vom 05.12.2016).
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20.11.2014 den bei ihr am 19.11.2014 eingegangen Antrag auf Übernahme der Kosten der häuslichen Krankenpflege ab. Beim Kläger liege keine medizinische Notwendigkeit/Indikation für eine Intensivpflegebedürftigkeit vor. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 03.12.2014.
Ein im Widerspruchsverfahren erstelltes Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine 24-h-Krankenbeobachtung nicht gegeben seien. Zweifelsohne liege beim Kläger eine schwer behandelbare Epilepsie vor. Anfallsfreiheit habe bislang trotz wiederholt angepasster Medikation nicht erreicht werden können. Indes handele es sich bei einem einzelnen epileptischen Anfall um ein Symptom, nicht um einen Notfall. Der Anfall ende in der Regel nach Sekunden oder wenigen Minuten spontan, ohne dass besondere Maßnahmen ergriffen werden müssten. Anders verhalte es sich bei einem sog. Status epilepticus, bei dem in dichter Folge hintereinander Anfälle - ohne Erholungsphasen für den Patienten - aufträten. Wenn ein solcher Zustand länger als 30 bis 60 Minuten anhalte, handele es sich um einen lebensbedrohlichen Zustand, der als Notfall dringend stationär behandlungsbedürftig sei. Derartige Anfälle seien jedoch - auch wenn wiederholt Stürze mit Verletzungsfol...