Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Wertgrenze für die Zulässigkeit der Berufung bei einer Untätigkeitsklage. Klageänderung im Berufungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 Alt 2 SGG wird auch eine Untätigkeitsklage erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der Geld-, Dienst- oder Sachleistungen betrifft, die einen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigen (Anschluss an BSG vom 6.10.2011 - B 9 SB 45/11 B = SozR 4-1500 § 144 Nr 7).

2. Eine Klageänderung im Berufungsverfahren bewirkt nicht, dass eine nicht statthafte Berufung dadurch statthaft wird. Denn der für § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 7. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem die Untätigkeitsklage, nachdem der Widerspruchsbescheid erlassen worden war, abgewiesen worden ist.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 27. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Monate Juni bis November 2011. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen betrugen zusammen 26,65 EUR. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2011. Neben einem unzutreffenden Einkommensbetrag rügte der Kläger insbesondere, dass Einkommen von seiner Ehefrau angesetzt worden sei, obwohl sie seit 1. Juni 2011 nicht mehr arbeite. Unter dem 14. Juli 2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid betreffend Oktober 2011. Mit Schreiben vom 22. September 2011 und 9. Oktober 2011 wandte sich der Kläger nochmals an die Be-klagte.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2011, beim Sozialgericht eingegangen am 2. November 2011, Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass seit dem Einlegen des Widerspruches mehr als drei Monate vergangen seien, ohne dass der Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 2011 korrigiert worden sei. Er bewerte seine moralischen Verluste auf 500,00 EUR.

Der Beklagte hat am 1. November 2011 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem die geänderten Einkommensverhältnisse der Ehefrau des Klägers im Juni 2011 berücksichtigt worden sind. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen haben nunmehr zusammen 74,65 EUR betragen. Ferner hat er am 20. Dezember 2012 einen Bescheid erlassen, in dem der Bescheid vom 27. Juni 2011 aufgehoben und die notwendigen Kosten der Widerspruchsverfahrens für erstattungsfähig erklärt worden sind.

Auf den Hinweis des Sozialgerichtes, dass sich die Untätigkeitsklage nunmehr erledigt habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2012 erklärt, dass es gut sei, dass der Beklagte seine Schuld akzeptiert habe. Dies reiche ihm jedoch nicht. Der Beklagte sei vom Gericht zu bestrafen. Er sei noch nicht bereit das Klageverfahren für erledigt zu erklären. Die Frage könne er aber nochmals betrachten, wenn er und seine Ehefrau vom Beklagten eine schriftliche Entschuldigung bekämen und der Beklagte ihm seine moralischen Verluste von 500,00 EUR entschädige. Wenn er die schriftliche Entschuldigung innerhalb von zwei Wochen, das heißt bis spätestens 26. Januar 2012, erhalte, entfalle die Entschädigungsforderung.

Das Sozialgericht hat im Schreiben vom 23. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass es für die Forderungen des Klägers keine Rechtsgrundlage gebe. Für das ursprüngliche Klagebegehren fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Wenn die Klage fortgeführt werde, könnten Verschuldenskosten auferlegt werden. Hierauf hat der Kläger trotz des Erinnerungs-schreibens vom 22. Februar 2012 nicht reagiert. Mit dem vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Schreiben vom 29. März 2012 hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schreiben vom 23. Januar 2012 zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR angedroht.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2012 die Klage abgewiesen (Ziffer I des Entscheidungstenors), die außergerichtlichen Kosten bis zum 21. Dezember 2011 dem Grunde nach für erstattungsfähig erklärt (Ziffer II des Entscheidungstenors) und gegen den Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR festgesetzt (Ziffer III des Entscheidungstenors). Für die Fortführung der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Mit den vom Kläger formulierten Bedingungen gehe es ihm nur noch um moralische Belehrungen, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Dass der Kläger auf die hierzu ergangenen richterlichen Hinweise nicht reagiert habe, zeige ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, sodass die Festsetzung von Verschuldenskosten gerechtfertigt sei.

Der Kläger hat gegen den ihm am 23. Mai 2012...

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