Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung. Mammakorrektur. Psychische Störung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine kleine Brustgröße stellt keinen regelwidrigen Körperzustand dar, weil es von Natur aus völlig unterschiedliche Entwicklungsumfänge gibt.
2. Möglicherweise bestehende medizinische Leitvorstellungen vom Umfang der weiblichen Brust sind für die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ebenso unerheblich wie eine dazu von der Versicherten entwickelte subjektive Vorstellung.
3. Die Leistungspflicht der Krankenkasse umfasst nicht die Kosten für operative Eingriffe, um auf diesem Weg eine psychische Störung zu beheben oder zu lindern.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3, § 27
Verfahrensgang
SG Dresden (Gerichtsbescheid vom 14.01.2002; Aktenzeichen S 18 KR 356/01) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 14.01.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine Brustvergrößerungsoperation.
Die am … geborene Klägerin ist von Beruf Lehrerin. Mit Schreiben vom 15.12.2000 beantragte Dr. H., Chefarzt der Gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses L. für sie die Kostenübernahme für eine operative Brustkorrektur. Bei der Klägerin liege eine erhebliche Mammahypoplasie beidseits mit starker psychischer Belastung vor. Bei einer Größe von 1,72 m und einem Gewicht von 52 kg liege eine überwiegend aus Drüsengewebe bestehende hypoplastische Brustdrüse von maximal 13 mm Dicke mit einem nicht erwähnenswerten Fettgewebesaum vor. In dem beigefügten Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 19.11.2000 ist ausgeführt, im letzen Jahr sei es bei der Klägerin zu einer Reihe provokanter Momente gekommen (Ausflug mit der Schulklasse in ein Bad). Sie habe sich unendlich geschämt, obwohl niemand öffentlich Anstoß genommen hätte. Seither habe sie sich auf dieses Thema fixiert. Im Gespräch sei sie anfangs relativ starr gewesen, dann aber beweglich geworden, wobei es zu heftigem Weinen gekommen sei. Die anlagebedingte Mammahypoplasie habe durch eine jahrelange Verhaltensbeeinflußung von außen kompensiert werden können. Anlassbedingt sei es zu einer Dekompensation und zu einer nunmehr ausgebrochenen depressiv eingefärbten Anpassungsreaktion gekommen, die Krankheitswert gewinne. Der Regulierungswunsch beziehe sich auf eine bescheidene, der Gesamtfigürlichkeit entsprechende Brustausstattung. Wichtig erscheine auch, dass die Klägerin weder von ihrem Ehemann noch von ihren Kindern unter äußerem Druck stehe. Die ungewöhnlich heftige gefühlsmäßige Entäußerung der sonst sehr disziplinierten Klägerin spreche für den Leidensdruck. Eine Psychotherapie sei sinnlos, weil der Leidensdruck an das Problem selbst gekoppelt sei.
Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) von Dr. H. vom 24.01.2001 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 29.01.2001 ab. Eine Mammahypoplasie habe keinen Krankheitswert im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Operative Eingriffe in einen regelgerechten Körperzustand würden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch zur Behebung einer psychischen Störung nicht umfasst. Dies gelte selbst dann, wenn wegen der krankheitsbedingten Ablehnung keine andere Möglichkeit der ärztlichen Hilfe bestehe.
Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Widerspruchs verwies die Klägerin auf die Stellungnahme von Dr. H. vom 23.04.2001, der ausgeführt hat, das Zitat des BSG gehe am Inhalt des Gutachtens von Dr. O. vorbei. Er habe ausdrücklich festgestellt, dass eine Psychotherapie sinnlos sei. Es handele sich nicht um eine krankheitsbedingte Ablehnung von psychotherapeutischen Maßnahmen. Vielmehr stelle die operative Behandlung die einzige Möglichkeit der Behebung der Störung dar.
Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK ein, das nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 18.06.2001 von Dr. R. erstattet wurde. Hierin ist ausgeführt, bei der Klägerin liege eine psychische Störung vor, die sich auf der Grundlage einer Unzufriedenheit mit den gesamten Lebensumständen entwickelt habe. Gefühle des Gekränktseins und des Verlassenwerdens von der Familie würden unterdrückt. Die vorhandene zu kleine Brust werde als äußerlich sichtbares Zeichen nur zu gerne als Erklärung genommen und helfe damit die eigentliche psychische Problematik des gestörten Selbstwertgefühls zu verbergen. Aus nervenärztlicher Sicht sei die geplante Maßnahme sogar als äußerst ungünstig für die Persönlichkeitsentwicklung und Entwicklung der psychischen Störung zu betrachten. Mit einer operativen Korrektur der Brust lasse sich die zugrundeliegende psychische Störung nicht beheben. Es müsse sogar mit einer Symptomverschiebung gerechnet werden. Die Einleitung einer ambulanten psychologischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung werde dringend empfohlen.
Die Klägerin hat er...