Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 25.07.1996; Aktenzeichen S 4 U 38/96) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. Juli 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein am 24.01.1995 erlittener Motorrad-Unfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht.
Der am … geborene Kläger war seit dem 01.12.1994 in … als Fleischerlehrling bei der dortigen … beschäftigt. Am 24.01.1995 begab er sich etwa um 15.15 Uhr nach Arbeitsende mit seinem Mofa auf seinen üblichen, ca. 10 km langen Heimweg nach …
Als er gegen 15.30 Uhr die Kreisstraße K 218 aus Döbeln kommend in Richtung … befuhr, kamen ihm die beiden damals 15 Jahre alten … und … entgegen. Diese gingen auf der dem Kläger gegenüberliegenden Straßenseite, aus Mochau kommend, in Richtung Döbeln und schoben ihre Fahrräder neben sich her. Als E. den Kläger sah, hob er die Hand und zeigte dem Kläger „den Finger” (so seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Leipzig – SG). Der Kläger bremste daraufhin, wendete sein Mofa und fuhr auf der Straßenseite, auf der sich E. und R. befanden, zurück, bis er die beiden fast erreicht hatte. Er stellte sein Mofa hinter E. und R. in Fahrtrichtung Döbeln am Straßenrand ab, ging zu E. und stellte ihn zur Rede. Das folgende Gespräch dauerte nach den schriftlichen Erklärungen von E. und R. vom 04.01.1996 gegenüber der Beklagten ca. 5 bis 10 Minuten, nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung ca. 2 bis 3 Minuten.
Der Kläger ging danach zu seinem Fahrzeug zurück und fuhr los, um in einem Halbkreis quer über die Straße hinweg zu wenden und seinen Heimweg in Richtung Mochau fortzusetzen. Hierbei übersah er einen Pkw, der aus Mochau kommend in Richtung Döbeln fuhr, so daß er, noch während er den Wendekreis ausführte, von diesem erfaßt wurde.
In der mündlichen Verhandlung vor dem SG sagte R. aus, der Kläger habe bereits die gegenüberliegende Fahrbahnseite, d.h. die Fahrbahnseite, auf der man in Richtung Mochau fährt, erreicht gehabt, als er vom Auto erfaßt worden sei. Der Pkw-Fahrer sei auf die für ihn linke Fahrbahnseite ausgewichen, um einen Zusammenstoß mit den beiden Zeugen zu vermeiden.
Auf der von der … angefertigten Unfallskizze führen die Bremsspuren des Pkw von der für den Pkw-Fahrer rechten Fahrbahnseite auf die linke hinüber. Der eingezeichnete Wendekreis des Klägers und die Bremsspuren treffen auf der vom Pkw-Fahrer aus gesehenen linken Fahrbahnseite (Seite, auf der man in Richtung Mochau fährt) aufeinander. Der Kläger erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen.
Im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Verfahrens zog sie die Verkehrsunfallakten der Polizeidirektion … – Verkehrspolizeiinspektion – bei … und nahm diese teilweise in Kopie zu den Beklagtenakten.
Mit Bescheid vom 29.01.1996 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da der Unfall vom 24.01.1995 nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 08.02.1996 wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28.02.1996 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 14.03.1996 das SG angerufen, das die Innungskrankenkasse Leipzig mit Beschluß vom 10.07.1997 beigeladen, E. und R. als Zeugen vernommen und mit Urteil vom 29. Juli 1996 den Bescheid vom 29.01.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.02.1996 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, den Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24.01.1995 zu entschädigen.
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO sei ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Verletzter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleide. Als Arbeitsunfall gelte auch ein Unfall auf einem mit diesen Tätigkeiten zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs. 1 RVO).
Grundsätzlich bestehe zwar kein Versicherungsschutz, solange der Versicherte seinen Heimweg aus Gründen unterbreche oder einen Umweg mache, die dem privaten nicht versicherten Bereich zuzurechnen seien, es sei denn, die Unterbrechung sei nur ganz geringfügig.
Das Gespräch des Klägers mit E. auf der anderen Straßenseite habe zwar privaten Zwecken gedient, doch sei die Unterbrechung nur geringfügig gewesen, der Kläger sei auch räumlich nur geringfügig von seinem Weg abgewichen und habe dabei den öffentlichen Verkehrsraum während der Heimfahrt nicht verlassen.
Daß sich der Kläger während des Wendemanövers, bei dem er verunglückte, noch nicht wieder auf der rechten Fahrbahnseite in Richtung Mochau befanden habe, schließe den Versicherungsschutz nicht aus. Den Versicherungsschutz sei nicht nur auf einer bestimmten Straßen dahin gegeben. Unschädlich sei auch die Tatsache, daß sich der Kläger auf seinem Weg zu den Zeugen E. und R. ein Stück weit in die von seinem Ziel wegführend...