Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Begrenzung des Streitgegenstands. Entbehrlichkeit einer ausdrücklichen Erklärung im Einzelfall. Aktivlegitimation. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Wohnflächengrenze. erhöhter Raumbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden Kind

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine eindeutige und ausdrückliche Erklärung des Klägers oder Rechtsmittelführers, dass nur über Regelbedarf oder Bedarf für Unterkunft und Heizung entschieden werden soll, ist entbehrlich, wenn die Klage in der Vorinstanz nur hinsichtlich eines dieser Gegenstände Erfolg hatte und nur der Beklagte das Rechtsmittel einlegt.

2. Erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts eines Elternteils in Bezug auf sein beim anderen Elternteil lebendes minderjähriges Kind ist Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils.

3. Aktiv legitimiert für die Geltendmachung daraus folgender Ansprüche auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist der umgangsberechtigte Elternteil, nicht (auch) das Kind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.02.2016; Aktenzeichen B 4 AS 2/15 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Februar 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen ein Urteil, mit dem er verurteilt wurde, dem Kläger zu 2) zu Händen des Klägers zu 1) für den Zeitraum 01.04. bis 30.09.2009 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Rahmen einer sog. temporären Bedarfsgemeinschaft beider Kläger zu gewähren.

Der 1957 geborene frühere Kläger zu 1) und sein am ...2001 geborener Sohn, der Kläger zu 2), reisten zusammen mit der indonesischen Mutter des Klägers zu 2), zugleich Ehefrau des Klägers zu 1), am 27.03.2007 aus Indonesien nach Deutschland ein. Die Eltern des Klägers zu 2) üben die elterliche Sorge gemeinsam aus. Am 01.05.2007 bezog die Familie eine ca. 78 qm große Dreiraumwohnung, für die monatlich 300 € Grundmiete und 130 € - nicht aufgeschlüsselte - Betriebskostenvorauszahlungen zu zahlen waren. Im November 2008 zog die Mutter des Klägers zu 2) mit diesem aus, was dem Beklagten angezeigt wurde. Der Kläger zu 1) verblieb in der Wohnung. In einem Prozessvergleich vom 10.11.2008 im Eilverfahren 338 F 03416/08 des Amtsgerichts Leipzig stimmte der Kläger zu 1) zu, dass der Kläger zu 2) vorläufig seinen ständigen Aufenthalt bei seiner Mutter nimmt. Die Eltern seien sich darüber einig, dass der Umgang des Klägers zu 1) mit dem Kläger zu 2) alle 14 Tage jeweils von Freitagnachmittag bis Montag früh erfolgt. Dabei werde der Kläger zu 2) durch den Kläger zu 1) am Freitagnachmittag vom Kindergarten abgeholt und am darauffolgenden Montag in den Kindergarten gebracht. Tatsächlich hatte der Kläger zu 1) im Zeitraum bis 26.07.2009 - für die Zeit danach sind Anzahl und Daten der Umgangstage den Akten nicht zu entnehmen - an folgenden Tagen Umgang mit dem Kläger zu 2): vom 3. bis 5. April, vom 15. bis 17. Mai, vom 29. Mai bis 1. Juni, vom 19. bis 23. Juni, vom 2. bis 6. Juli und vom 24. bis 26. Juli 2009.

Zum 01.04.2009 schloss der Kläger zu 1) mit Einwilligung des Vermieters einen Untermietvertrag für einen Teil der Wohnung ab. Danach schuldete die Untermieterin monatlich 70 € Grundmiete, 35 € Vorauszahlung auf die Nebenkosten und 35 € für Internetnutzung und Strom.

Der Kläger zu 1) studiert seit dem 01.04.2009 an der Fernuniversität H…. Für das Sommersemester 2009 (01.04. bis 30.09.2009) war er zunächst als sog. Akademiestudierender für ein Kursstudium, das einer Gasthörerschaft an anderen Hochschulen entspricht, immatrikuliert. Nach Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung wurde am 10.06.2009 auf Wunsch des Klägers zu 1) sein Status rückwirkend zum Semesterbeginn in Vollzeitstudent im Fernstudium Bachelor Politik und Verwaltungswissenschaft geändert. Mit Bescheid des Studentenwerks D… vom 28.08.2009 wurden dem Kläger zu 1) für die Monate Juni 2009 bis März 2010 Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in Höhe von je 584 € bewilligt. Der Betrag setzte sich aus dem Grundbedarf nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG i.H.v. 366 €, aus einem Betrag für das Wohnen nicht bei den Eltern nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG von 146 € und aus einem Mietkostenzuschuss nach § 13 Abs. 3 BAföG von 72 € zusammen. Die Nachzahlung von 1.752,00 € für die verstrichenen Monate und die Leistung für September 2009 wurden dem Kläger zu 1) am 31.08.2009 auf dessen Konto gutgeschrieben. An diesem Tag ging beim Beklagten eine Mitteilung des Studentenwerks ein, der Kläger zu 1) habe BAföG beantragt; er selbst teilte den BAföG-Bezug mit einem Schreiben vom folgenden Tag mit.

Auch für den Kläger zu 2) beantragte seine Mutter am 11.11.2008 und 05.03.2009 Leistungen nach dem SGB II. Für die Monate April bis September 2009 erhielt sie folgende Bescheide mit folgenden Leistungsbeträgen...

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