Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. betriebliche Voraussetzung. VEB IFA-Motorenwerke Nordhausen. Privatisierung und Spaltung eines volkseigenen Betriebes. maßgeblicher Arbeitgeber am 30.6.1990. Aufspaltungskonstellationen. kein erweiterter Prüfmaßstab iS eines hinzukommenden negativen Tatbestandsmerkmals

 

Leitsatz (amtlich)

Für "Aufspaltungskonstellationen", in denen zum Stichtag am 30.6.1990 neben einer durch Eintragung wirksam gewordenen Kapitalgesellschaft der ursprüngliche VEB fortbesteht, gilt für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung kein modifizierter oder erweiterter Prüfmaßstab iS eines hinzukommenden negativen Tatbestandsmerkmals.

 

Orientierungssatz

1. Der VEB Industrieverband Fahrzeugbau (IFA) Motorenwerke Nordhausen (Betrieb des IFA-Kombinates Nutzfahrzeuge) war am 30.6.1990 noch im Rechtssinn existent und noch nicht in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt.

2. Beim VEB IFA-Motorenwerke Nordhausen (Betrieb des IFA-Kombinates Nutzfahrzeuge) handelte es sich auch um einen volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie iS der Rechtsprechung des BSG.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Februar 2022 wird zurückgewiesen. Auf die teilweise Antragsrücknahme des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Februar 2022 wie folgt (sowie klarstellend) abgeändert: Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 9. Februar 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2021 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 2. September 1985 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der fingierten Zusatzversorgung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten - nach teilweiser Antragsrücknahme des Klägers im Berufungsverfahren nur noch - über die Verpflichtung der Beklagten, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 2. September 1985 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1955 geborene Kläger war vom 1. Januar 1974 bis 30. August 1985 als Kraftfahrzeugschlosser im volkseigenen Betrieb (VEB) Kraftfahrzeuginstandsetzung Y.... (Werk X....) beschäftigt und leistete im Zeitraum vom 3. Mai 1974 bis 31. Oktober 1975 seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) ab. Ihm wurde, nach erfolgreichem Abschluss eines in der Zeit bis Juni 1984 berufsbegleitend absolvierten Fachschulstudiums in der Fachrichtung "Technologie elektronischer Bauelemente" an der Ingenieurschule für Elektrotechnik und Keramik W...., mit Zeugnis vom 14. Juni 1984 das Recht verliehen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur für Technologie elektronischer Bauelemente" zu führen. Er war vom 2. September 1985 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Ingenieur für Elektroinstandhaltung im VEB Industrieverband Fahrzeugbau (IFA) Motorenwerke X.... (Betrieb des IFA-Kombinates Nutzfahrzeuge) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungszusage und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Am 19. März 2020 (Eingang bei der Beklagten am 20. März 2020) beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften für den Beschäftigungszeitraum von Juni 1984 bis Juni 1990 und legte dabei unter anderem Arbeitsvertragsunterlagen, Ausweise für Arbeit und Sozialversicherung, Lohnscheine für den Zeitraum von Dezember 1989 bis Juni 1990, September 1990 und Dezember 1990 sowie die Kontrollkarten und das Beitragsmarkenbuch über Mitgliedsbeiträge zum Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) vor.

Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Februar 2021 ab und führte zur Begründung aus: Eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG sei nicht entstanden. Weder habe eine positive Versorgungszusage (Anwartschaft) zu Zeiten der DDR vorgelegen, noch sei am 30. Juni 1990 (Schließung der Zusatzversorgungssysteme) eine Beschäftigung ausgeübt worden, die - aus bundesrechtlicher Sicht - dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen sei. Das AAÜG sei nicht anwendbar. Die betriebliche Voraussetzung sei am 30. Juni 1990 nicht erfüllt gewesen, denn am 30. Juni 1990 habe sowohl eine GmbH als auch ein VEB bestanden. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass sein Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1990 zum VEB noch Bestand gehabt habe. Die Nichtbeendigung dieses Arbeitsverhältnisses sei aber nachzuweis...

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