Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Schülerunfall. organisatorischer Verantwortungsbereich der Schule. Teilnahme an schulischen Veranstaltungen. Klassenfahrt. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Schülers. Weg zur Nachtruhe. typisches Gruppenverhalten von Schülern und Jugendlichen. Nichtvorliegen einer besonderen Gefahr. Rennen über nasses Kopfsteinpflaster im Innenhof der Unterbringung
Orientierungssatz
1. Der Versicherungsschutz auf Klassenfahrten umfasst nicht jede Betätigung während der gesamten Dauer der Klassenfahrt. Vielmehr ist insoweit die Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf Dienst- oder Geschäftsreisen unter Beachtung der Besonderheiten für Klassenfahrten entsprechend heranzuziehen und zu entscheiden, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls in sachlichem Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Schüler steht. Der Versicherungsschutz ist zu verneinen, wenn sich die betreffende Person zur Unfallzeit rein persönlichen, von der versicherten Tätigkeit nicht mehr beeinflussten Bedürfnissen und Belangen wie Essen, Trinken und Schlafen oder einem privaten Spaziergang widmet. Neben den auch bei Dienstreisen von erwachsenen Beschäftigten zu berücksichtigenden besonderen Gefahren, zB der Unterkunft, sind im Rahmen der Schüler-Unfallversicherung als eine weitere Besonderheit die Gefahren zu berücksichtigen, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder dem typischen Gruppenverhalten von Schülern oder Jugendlichen ergeben.
2. Eine Oberschülerin, die während einer Klassenfahrt nach der Aufforderung eines Lehrers auf dem Weg zur Nachtruhe von dem Aufenthaltsraum zu den Schlafräumen stürzt, steht dabei - mangels Vorliegens des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule - nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 05.11.2019 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Arbeitsunfalles und die Erstattung von Kosten für Heilbehandlung.
Die 1996 geborene Klägerin befand sich als Schülerin des Beruflichen Schulzentrums für Agrarwirtschaft und Ernährung in B. im Rahmen einer fächerübergreifenden Studienfahrt der 12. Jahrgangsstufe ihrer Schule am 05.05.2015 im Kloster St. Z. in Y. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes von Dr. V. vom 06.05.2015 rannte sie am 05.05.2015 gegen 23.00 Uhr über den Innenhof des Klosters und verletzte sich hierbei den rechten Fuß. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine Distorsion des rechten Sprunggelenkes; ein Röntgenbild des rechten oberen Sprunggelenkes ergab keinen Anhaltspunkt für frische knöcherne Läsionen. In zwei weiteren Durchgangsarztberichten, die am 06.05.2015 bzw. 01.06.2015 von Dr. X. erstellt wurden, wird als Befund und Diagnose zudem eine schlaffe Parese des rechten Fußes genannt. Es sei keine aktive Flexion und Extension des Fußes möglich. Am 29.05.2015 beschrieb Dr. X. eine weiterhin bestehende komplette Parese der Fußheber rechts. Es werde im neurologischen Befund eine zentrale Störung vermutet. Ein MRT des Schädels ergab keinen Anhalt für eine zentrale Pathologie. Dr. X. verordnete Krankengymnastik, Hochvolttherapie und ein Tens -Gerät. Der Durchgangsarzt Dr. W. diagnostizierte am 08.06.2015 außer einer Sprunggelenksdistorsion ein pseudoradikuläres Lumbalsyndrom.
Am 18.06.2015 wurde in der D-Arzt-Sprechstunde des Städtischen Krankenhauses B. eine Lähmung der Fußhebermuskulatur rechts unklarer Genese diagnostiziert. Ein MRT des oberen Sprunggelenkes habe keinerlei Verletzungsfolgen gezeigt, eines des Schädels, das unter dem Verdacht auf Multiple Sklerose durchgeführt worden war, habe ebenfalls keinen spezifischen Befund gezeigt. Das Unfallereignis selber sei von der Klägerin als plötzlich während des Laufes auftretende Schwäche mit Humpeln beschrieben worden. Ein Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liege also offensichtlich nicht vor. Die durchgeführte klinisch neurologische Untersuchung habe zumindest den dringenden Verdacht auf eine psychogene Ursache der geklagten Beschwerden ergeben. Die Klägerin sei zur weiteren Abklärung stationär aufgenommen worden. Im Arztbrief vom 01.07.2015 nach der Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung wird als Diagnose ein Verdacht auf funktionelle Gangstörung bei Minderinnervation der rechtsseitigen Extremitäten genannt. Es wurden eine aktivierende physiotherapeutische Beübung und psychologische Mitbetreuung, ggf. psychosomatische Behandlung empfohlen. Beigefügt war ein neurophysiologischer Befund vom 12.06.2015. Dieser ergebe weder für eine periphere noch für eine zentrale Genese der Beinparese rechts mit Sensibilitätsstörung ein neurophysiologisches Korrelat; di...