Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. medizinische Notwendigkeit einer Verlegung. keine Vergütungsvoraussetzung. Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus einer niedrigeren Versorgungsstufe durch ein Krankenhaus der Maximalversorgung nach durchgeführter Spezialbehandlung. kein Verlust des Vergütungsanspruchs. Verweis auf fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten nur bei Vorhersehbarkeit der Kostenfolgen im Rahmen der Behandlungsplanung
Leitsatz (amtlich)
1. Die medizinische Notwendigkeit der Verlegung des versicherten Patienten ist weder beim aufnehmenden noch beim verlegenden Krankenhaus Voraussetzung des Vergütungsanspruchs.
2. Ein Krankenhaus der Maximalversorgung darf nach einer bei ihm durchgeführten Spezialbehandlung den versicherten Patienten zur Weiterbehandlung in ein wohnortnahes Krankenhaus einer niedrigeren Versorgungsstufe verlegen, ohne dadurch seinen Vergütungsanspruch ganz oder teilweise zu verlieren.
3. Ein Krankenhaus kann auch hinsichtlich einer Verlegung nur dann auf ein fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten verwiesen werden, wenn die Kostenfolgen bereits bei der Behandlungsplanung vorhersehbar sind.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 11.087,88 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Hochschulklinik zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den 1955 geborenen, bei der Beklagten versicherten Z.... (Versicherter) im Zeitraum vom 09.02.2016 bis 01.03.2016 vollstationär. Der Versicherte litt an Rückenschmerzen mit neurologischen Symptomen aufgrund einer Wirbelkörperfraktur als Folge einer malignen Tumorerkrankung mit multiplen Metastasen (C79.5: sekundäre bösartige Neubildung des Knochens und des Knochenmarks). Er hatte sich bereits zuvor - vom 04.02.2016 bis 09.02.2016 - in vollstationärer Behandlung befunden (Klinikum Y....). Im Hause der Klägerin erfolgte am 10.02.2016 die Operation der Wirbelsäule mit einer Stabilisierung durch einen Stabfixateur, einer Reduktion der Tumormasse und einer Befreiung des Wirbelkanals. Am 01.03.2016 verlegte die Klägerin den Versicherten in das heimatnahe X-Klinikum .... zur Weiterbehandlung (Radiotherapie), die bis zum 23.03.2016 dauerte.
Für die stationäre Behandlung des Versicherten im Zeitraum vom 09.02.2016 bis 01.03.2016 stellte die Klägerin der Beklagten 23.003,45 € in Rechnung auf der Grundlage der Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2016 ≪DRG≫) I09A (Bestimmte Eingriffe an der Wirbelsäule, mit sehr komplexer Osteosynthese und äußerst schweren CC oder mehrzeitiger komplexer Eingriff oder komplexer Eingriff mit Wirbelkörperersatz oder verschiedene komplexe Eingriffe an mehreren Segmenten). Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst unter Vorbehalt.
Nach Einholung einer Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes gelangte die Beklagte zu der Einschätzung, dass die Verlegung des Versicherten in ein anderes Krankenhaus (X-Klinikum ....) nicht medizinisch notwendig gewesen sei. Die gesamte Behandlung - einschließlich der Bestrahlung - hätte im Haus der Klägerin stattfinden können, was zu geringeren Kosten geführt hätte. Mangels medizinischer Gründe für die Verlegung stelle sich die Behandlung als unwirtschaftlich dar. Unter Berufung auf einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch verrechnete die Beklagte sodann am 29.08.2016 einen Betrag von 11.087,88 € mit anderen - unstreitigen - Forderungen der Klägerin.
Die Klägerin hat am 12.05.2017 beim Sozialgericht (SG) Leipzig Klage auf Zahlung von 11.087,88 € nebst Zinsen erhoben. Die Verrechnung sei zu Unrecht erfolgt. Der Beklagten stehe kein Erstattungsanspruch oder sonstiger (Schadensersatz-)Anspruch zu. Die maßgeblichen Abrechnungsvorschriften - hier in Gestalt der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2016 - gäben eindeutig vor, wie im Falle der Verlegung eines Patienten in ein anderes Krankenhaus zu verfahren sei. Es erfolge keine Aufteilung der Fallpauschale zwischen den beteiligten Krankenhäusern, sondern jedes Krankenhaus rechne eine Fallpauschale ab, wobei ggf. Verlegungsabschläge in Ansatz zu bringen seien. Die medizinische Notwendigkeit der Verlegung sei hierfür nicht Voraussetzung. Erforderlich sei nur, dass die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Patienten über den gesamten Zeitraum hinweg bestanden habe, was vorliegend unstreitig der Fall gewesen sei. Die Vorgehensweise bei der Abrechnung im Falle der Verlegung eines Patienten sei gesetzlich vorgegeben und vom Normgeber auch ausdrücklich so gewollt. Sie führe dazu, dass Krankenhäuser der Maximalversorgung, die, wie die Klägerin, über ein ...