Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. steuerfreie Spesenzahlung des Arbeitgebers für Verpflegungsmehraufwendungen. zweckbestimmte Einnahme. Höhe. Gerechtfertigkeitsprüfung. Notwendigkeit des Verwendungsnachweises. Absetzung eines Pauschbetrages vom Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Vom Arbeitgeber gezahlte Vergütungen zu Verpflegungsmehraufwendungen, Verpflegungszuschüsse oder Spesen können zweckbestimmte Einnahmen iS von § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 aF sein.
2. Einnahmen (hier: Zahlungen des Arbeitgebers) können bereits begrifflich nicht unter abzugsfähige Ausgaben iS von § 11 Abs 2 S 1 Nr 5 SGB 2 aF gefasst werden.
3. Vom Arbeitgeber gezahlte Vergütungen zu Verpflegungsmehraufwendungen, Verpflegungszuschüsse oder Spesen können in Höhe des steuerlich privilegierten Rahmens gem § 11 Abs 3 SGB 2 aF anrechnungsfrei bleiben.
4. Für die vom Arbeitgeber als zweckbestimmte Einnahmen iS von § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 aF gewährten Spesen oder Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen ist der Nachweis ihrer zweckentsprechenden Verwendung geboten.
5. Wenn auf der Einkommensseite die vom Arbeitgeber gewährten Spesen oder Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen nicht in vollem Umfang, zumindest aber nicht in einem die Hilfebedürftigkeit begründendem Umfang als Einkommen zu berücksichtigen sind, verbleibt nur die Möglichkeit, das einzusetzende Einkommen auf der Ausgabenseite (hier: Mehraufwendungen für Verpflegung) zu verringern.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Streitig ist, ob die vom Arbeitgeber gewährten Spesen oder Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen als Einkommen zu behandeln sind.
Die 1982 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1 beantragte am 10. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie lebte mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem 1979 geborenen Kläger zu 2, und dem 2004 geborenen gemeinsamen Sohn, dem Kläger zu 3, zusammen.
Die Kläger bewohnten eine 55,06 m² große 3-Zimmer-Wohnung. Die Gesamtkosten in Höhe von 400,00 EUR setzten sich zusammen aus der Kaltmiete in Höhe von 239,29 EUR sowie Vorauszahlungen auf Heizkosten in Höhe von 63,83 EUR und auf Betriebskosten in Höhe von 96,88 EUR.
Der Kläger zu 2 war als Fernfahrer beschäftigt. Die Tätigkeit begann in der Regel am Sonntagabend oder am Montag und endete Samstagvormittag; zum Teil war der Kläger zu 2 auch an Wochenenden unterwegs. Nach § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages vom 26. Januar/7. Februar 2005 betrug das monatliche Bruttoentgelt 1.390,00 EUR. Für Sonn-, Feiertags-, Nacht- und Samstagsarbeit gab es gesonderte Vereinbarungen im Arbeitsvertrag und in Betriebsvereinbarungen. Reisekosten wurden gemäß § 5 Satz 1 des Arbeitsvertrages auf der Grundlage der mit dem Betriebsrat festgelegten Richtlinien gezahlt. Nach Nummer 1 der Betriebsvereinbarung vom 21. Mai 2003 waren die Spesen zeitlich gestaffelt. Sie betrugen bei einer Abwesenheitszeit von 6 bis 8 Stunden 5,50 EUR, von 8 bis 10 Stunden 8,50 EUR, von 10 bis 12 Stunden 14,50 EUR und ab 12 Stunden 24,00 EUR. Mit § 3 der Betriebsvereinbarung vom 20. Februar 2007 erfolgte eine Trennung zwischen steuerfreien und versteuerten Teilen der Spesen. Sie betrugen nunmehr bei einer Abwesenheitszeit von mindestens 8 bis weniger als 14 Stunden 12,00 EUR (6,00 EUR steuerfrei, 6,00 EUR versteuert), von mindestens 14 bis weniger als 24 Stunden 18,00 EUR (12,00 EUR steuerfrei, 6,00 EUR versteuert) und von mindestens 24 Stunden 24,00 EUR (24,00 EUR steuerfrei, 0,00 EUR versteuert). In § 3 Satz 1 der Betriebsvereinbarung vom 25. Februar 2011 wurde diese zeitliche Staffelung beibehalten, jedoch mit Beträgen von 6,00 EUR, 12,00 EUR und 24,00 EUR. Gemäß § 3 Satz 3 dieser Betriebsvereinbarung richtete sich die steuer- und beitragsrechtliche Behandlung der Spesen nach den jeweils gültigen gesetzlichen Regelungen.
Die Klägerin zu 1 bezog bis 30. September 2007 Arbeitslosengeld in Höhe von 25,19 EUR täglich. Der Kläger zu 2 bezog nach der Einkommensbescheinigung für August 2007 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.920,00 EUR (= 1.271,20 EUR netto) sowie Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 492,00 EUR. Für den Kläger zu 3 wurde Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR gezahlt. Für die Kfz-Haftpflichtversicherung waren monatlich 30,25 EUR zu zahlen. Daneben zahlte die Klägerin zu 1 monatlich einen Beitrag in Höhe von 52,50 EUR in eine private Rentenversicherung und einen weiteren Betrag in Höhe von 132,30 EUR in eine private Pflege- und Krankenversi...