Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. Prokurist. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. Teilbescheid. Teilregelung. Auslegung eines Verwaltungsaktes
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 22. Mai 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Instanzen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 56.870,04 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung des zu 1. beigeladenen Gesellschafters als Prokuristen der klagenden GmbH (im Folgenden: Beigeladener) und eine Nachforderung von Renten-, Arbeitsförderungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von 56.870,04 € für die Beschäftigung in der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2013.
Die Klägerin wurde durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 19.12.2000 mit Sitz in Z.... gegründet und am 05.03.2001 unter HRB Nr. 17646 in das Handelsregister des Amtsgerichts Y…. eingetragen. Am 16.01.2017 verlegte die Klägerin ihren Sitz nach A.... (Amtsgericht W....). Gegenstand des Unternehmens ist eine internationale Spedition und damit in Zusammenhang stehende Waren- und sonstige Geschäfte, sowie Fahrzeughandel und Vermietungen sowie Verwaltungen, die keiner gesonderten Erlaubnis bedürfen. Von dem Stammkapital der Klägerin im Nennwert von 25.000 € hielten der 1968 geborenen Beigeladene und die 1977 geborene V.... je 50%. Mit Kaufvertrag vom 28.01.2002 erwarb der 1957 geborene U.... von V.... den Geschäftsanteil im Nennwert von 12.500 €.
Der Gesellschaftsvertrag vom 19.12.2000 enthielt unter anderem folgende Regelungen:
„Das Gesellschaftskapital wird von den Gesellschaftern übernommen mit je 12.500 €.
Die Gesellschafter und Geschäftsführer können durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, der die Bedingungen geregelt, von der Verpflichtung entbunden werden, nicht in Wettbewerb zur Gesellschaft zu treten.
Die Gesellschaft wird auf unbestimmte Zeit errichtet.
Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich oder durch einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.
Die Gesellschafterversammlung kann auch bei Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer Alleinvertretungsbefugnis erteilen. Sie kann Geschäftsführer von der Beschränkung des § 181 BGB befreien.
Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. …“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschaftsvertrages wird auf Bl. 143-145 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Geschäftsführer der Klägerin waren der 1972 geborene T.... von der Gründung bis 22.12.2008, U.... vom 12.11.2003 bis 28.11.2016 und ab 08.02.2018, der 1983 geborene S.... vom 28.11.2016 bis 02.07.2018. Der Beigeladene hatte vom 22.12.2008 bis zu seiner Bestellung als Geschäftsführer am 18.02.2020 Einzelprokura mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossene Prokuristen-Anstellungsvertrag vom 01.10.2008 enthielt u.a. folgende Regelungen:
„§ 1 Vertragsdauer, Kündigung
1. Der Anstellungsvertrag gilt ab 1.10.2008.
2. Er kann jederzeit bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos gekündigt werden.
3. Jede Partei kann ihn jeweils zum Schluss eines Geschäftsvierteljahres mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Diese Frist entfällt bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.
4. Wichtiger Grund ist auch das Ausscheiden des Prokuristen als Gesellschafter der GmbH bzw. seine Abberufung als Prokurist. …
§ 2 Aufgaben
1. Der Prokurist ist allein geschäftsführungsberechtigt und allein vertretungsberechtigt. Ihm obliegt die gesamte Leitung der Gesellschaft. Er nimmt die Stelle des Arbeitgebers im Sinne des Arbeit- und Sozialrechtes ein. Er bestimmt die gesamte innerbetriebliche Organisation.
2. Der Prokurist wird sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns führen und die ihm durch Gesetz und Vertrag übertragenen Obliegenheiten genau erfüllen. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist ausgeschlossen.
3. An eine feste Arbeitszeit ist der Prokurist nicht gebunden. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden.
4. Im Innenverhältnis zur Gesellschaft ist der Prokurist an den Gesellschaftsvertrag sowie die Geschäftsordnung gebunden und hat den Weisungen der Gesellschafter Folge zu leisten.
§ 3 Urlaub/Überstunden
1. Der Prokurist erhält jährlich einen Urlaub von 40 Arbeitstagen. …
§ 4 Vergütung
1. Der Prokurist erhält für seine Tätigkeit
- ein festes Gehalt von monatlich 11.500,00 € brutto, dass jeweils zum Monatsende zu bezahlen ist.
- Weihnachtsgeld …
- Urlaubsgeld …
2. Die Altersversorgung des Prokuristen wird durch eine Pensionszusage, Direktversicherung oder durch Anschluss an Unterstützungskasse, Pensionsfond oder P...