Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. ehemalige DDR. Berufskrankheit. Schädigung der Leibesfrucht durch berufliche Einflüsse auf die Mutter. kein § 12 SGB 7 entsprechender sozialversicherungsrechtlicher Schutz
Leitsatz (amtlich)
Für eine Schädigung der Leibesfrucht durch berufliche Einflüsse auf die Mutter während der Schwangerschaft bestand nach dem Recht der DDR kein § 12 SGB VII entsprechender sozialversicherungsrechtlicher Schutz, so dass eine nachträgliche Anerkennung einer Berufskrankheit ausscheidet.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. September 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer bei der Klägerin seit ihrer Geburt bestehenden Erkrankung als Berufskrankheit durch schädigende Einwirkungen auf die Mutter während der Schwangerschaft.
Bei der 1974 geborenen Klägerin besteht ausweislich einer Mitteilung ihrer Mutter vom 23.04.2013 an die Beklagte seit der Geburt ein Hydrocephalus. Die Mutter wies darauf hin, dass sie ab 01.07.1972 als Laborantin tätig gewesen sei und seit 01.09.1972 auch Uranproben habe untersuchen müssen. Auch zu Beginn ihrer Schwangerschaft habe sie in diesem Labor gearbeitet. Bei der Klägerin bestünden fortbestehende gesundheitliche Beeinträchtigungen.
Für die Klägerin wurden Unterlagen der vormaligen Arbeitgeberin der Mutter zur Akte gereicht.
Mit Bescheid vom 27.06.2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit ab. Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland erstrecke sich der Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch auf die Leibesfrucht, wenn diese durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit der Mutter während der Schwangerschaft geschädigt worden ist (§ 12 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Da die Klägerin bereits vor dem 01.01.1992 im Beitrittsgebiet geboren sei, seien die Regelungen der ehemaligen DDR anzuwenden. Danach habe ein Schutz der Leibesfrucht nicht bestanden. Insofern könne eine weitere Tatsachenaufklärung zum Zusammenhang der beruflichen Belastungen der Mutter und der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen unterbleiben.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin vom 04.07.2013 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2013 zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid führte die Beklagte aus, dass nach § 215 SGB VII i. V. m. § 1150 Abs. 2 und 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) a. F. Versicherungsfälle aus dem Gebiet der ehemaligen DDR, die vor dem 01.01.1992 eingetreten und nach dem 31.12.1993 einem ab 01.01.1992 zuständigen Unfallversicherungsträger gemeldet worden seien (hier: 2013), dann anerkannt werden könnten, wenn sie sowohl nach den Vorschriften der ehemaligen DDR als auch nach den derzeitigen Rechtsvorschriften anerkannt werden könnten. Nach dem Recht der DDR habe es keine Vorschriften gegeben, die den Schutz der Leibesfrucht infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit der Mutter regelten. Die Klägerin sei am 1974 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geboren worden, damit läge ein möglicher Versicherungsfall vor dem 01.01.1992.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.09.2013 Klage zum Sozialgericht Chemnitz (SG) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Mutter einschließlich der Klägerin als Leibesfrucht während der Schwangerschaft erheblicher ionisierender Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Die Leibesfrucht sei nach dem Recht der DDR bis zur Geburt genauso wenig rechtsfähig wie nach geltendem Recht. Nach keiner Norm werde ausdrücklich zwischen Kindesmutter und der Leibesfrucht differenziert, bis zur Geburt werde die Leibesfrucht faktisch als Körperbestandteil der Kindesmutter behandelt. Aus § 12 SGB VII ergebe sich nur deklaratorisch, dass die Leibesfrucht einem Versicherten gleichstehe. Ob eine rein deklaratorische Feststellung im Altrecht des Beitrittsgebietes ihre Entsprechung finde, sei daher unerheblich. Somit habe die Leibesfrucht auch nach dem Recht der DDR unter dem gleichen Schutz gestanden, wie ihn § 12 SGB VII deklaratorisch hervorhebe.
Auch strafrechtliche Normen würden diese Auffassung stützen.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass nur aufgrund von § 12 SGB VII ein Versicherungsschutz für die Leibesfrucht bestehe, es handele sich nicht um eine deklaratorische Wiederholung einer rechtlichen Selbstverständlichkeit. In den Vorschriften der DDR, die 1974 gegolten hätten, fände sich kein Hinweis darauf, dass auch die Leibesfrucht zum Kreis der versicherten Personen im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen oder Berufskrankheit gehört habe.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
"Die Erkrankung der Klägerin ist keine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 1, 2 SGB VII.
Gemäß § 215 SGB VII i.V. m. § 1150 Abs. 2 und 3 RVO können...