Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung von Strukturanpassungsmaßnahmen Ost. Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Betrieb. Gewinnerzielungsabsicht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Während bei Privaten, die mit Gewinnerzielungsabsicht eine ihrer Natur nach gewerbliche Tätigkeit ausüben, ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Gewinnerzielungsabsicht für die betriebliche Existenz in ihrer konkreten Erscheinungsform kausal ist, ist das Kausalitätskriterium bei Einrichtungen der Daseinsvorsorge, die von Hoheitsträgern, kirchlichen Stellen oder Wohlfahrtsverbänden betrieben werden, näher zu prüfen.

2. Bei Tätigkeiten der öffentlichen Hand, bei denen das öffentliche Interesse an der Ausübung der Tätigkeit überwiegt und eine etwa auch feststellbare Gewinnerzielungsabsicht allenfalls die Rolle eines Nebenzwecks spielt, liegt regelmäßig kein Gewerbebetrieb vor, so auch bei Leistungen der Daseinsvorsorge. Gewerbsmäßigkeit kann nur dann bejaht werden, wenn bei der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand die Gewinnerzielung im Vordergrund steht und nicht ein gemeinwohlorientierter öffentlicher Zweck zu Grunde liegt

 

Normenkette

SGB III § 415 Abs. 3, §§ 272-273

 

Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 15.02.2001; Aktenzeichen S 6 AL 823/98)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. Februar 2001 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Förderungsfähigkeit einer Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen.

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin eines kommunalen Energie- und Wasserversorgungsunternehmens, welches ursprünglich in der Rechtsform einer GmbH betrieben wurde. Im Gesellschaftsvertrag der ursprünglichen GmbH heißt es u.a.:

㤠2 Gegenstand des Unternehmens

(1) Gegenstand des Unternehmens ist die Versorgung mit Strom, Wärme, Gas und anderen Energien, die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung, der Erwerb, die Erweiterung und der Betrieb der diesen Zwecken dienenden Anlagen. Darüber hinaus kann die Gesellschaft diese Aufgaben für Gemeinden, Zweckverbände und Dritte erfüllen, weitere im Zusammenhang damit stehende Aufgaben können auf die Gesellschaft übertragen werden.

§ 3 Stammkapital, Stammeinlage

(1) Das Stammkapital beträgt 800.000 DM. … Die Stadt K, hat das Stammkapital in voller Höhe übernommen.

(2) Die Stadt K. erbringt die Einlage durch Übertragung des in ihrem Eigentum stehenden Vermögens des Bereiches Wärmeversorgung mit Ausnahme der zu diesem Bereich gehörenden Grundstücke und Gebäude auf die Gesellschaft.”

Alleinige Aktionärin der nunmehrigen AG ist ebenfalls die Stadt K.

Mit am 05. Mai 1998 bei der Beklagten eingegangenem Antrag vom 02. April 1998 auf eine Strukturanpassungsmaßnahme Ost für Wirtschaftsunternehmen begehrte die Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Zeit vom 01. April 1998 bis 31. März 1999 die Förderung einer Sachbearbeitertätigkeit in den Bereichen Vermessung und Kartierung für eine Arbeitnehmerin.

Mit Schreiben vom 18. Juni 1998 ließ die Rechtsvorgängerin der Klägerin mitteilen, als GmbH sei sie selbstverständlich angehalten, wirtschaftlich und gewinnorientiert zu arbeiten.

Mit Bescheid vom 14. Juli 1998 lehnte die Beklagte den Antrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin ab. Die Förderung gem. §§ 415 Abs. 3, 272 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) beschränke sich auf Wirtschaftsunternehmen im gewerblichen Bereich. Die hierfür erforderliche Gewinnerzielungsabsicht liege nur dann vor, wenn die Tätigkeit unmittelbar auf Erwerb im Sinne eines wirtschaftlichen Vorteils gerichtet sei. Werde eine Tätigkeit zur Erfüllung der dem Staat, dem Bund, den Ländern oder den Gemeinden und sonstigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften obliegenden öffentlichen Aufgaben ausgeübt, so sei kein gewerbsmäßiges Handeln gegeben. Dies gelte grundsätzlich selbst dann, wenn Betriebe der öffentlichen Hand auf der Grundlage privatrechtlicher Rechtsformen betrieben und Überschüsse erzielt würden. Eine Gewinnerzielungsabsicht könne nur dann bejaht werden, wenn der Betrieb am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teilnehme.

Hiergegen ließ die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 1998 Widerspruch einlegen. Sie nehme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr teil und verfüge über die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht.

Durch Widerspruchsbescheid vom 13. August 1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Rechtsvorgängerin der Klägerin zurück. Der Begriff „Wirtschaftsunternehmen” sei in Anlehnung an die Gewerbeordnung auszulegen. Gewerbebetrieb sei jede fortgesetzte erlaubte private, auf Dauer angelegte und auf die Erzielung von Gewinnen gerichtete Tätigkeit. Die (ursprüngliche) Klägerin betreibe ihr Unternehmen aber zum Zwecke der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Sie sei ein Versorgungsunternehmen mit Monopol-Charakter. Hieran ändere sich auch dadurch nichts, dass sie auf Grundlage privatrechtlicher Rechtsnor...

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