Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung der Meldung von Arbeitslosigkeitszeiten an die Rentenversicherung. Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit. Leistungsklage. Arbeitslosigkeit und Arbeitsuchendmeldung. Anwendung des § 125 SGB 3. fehlende Erneuerung des Vermittlungsbegehrens. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bundesagentur für Arbeit kann nicht gegenüber dem Arbeitslosen, der sich bei ihr arbeitsuchend gemeldet hat, oder gegenüber dem Rentenversicherungsträger verbindlich feststellen, dass rentenrechtlich wirksame Zeiten der Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 6 vorliegen.

2. Der Arbeitslose hat aber gegen die Bundesagentur für Arbeit einen Anspruch darauf, dass die Meldung der Zeiten der Arbeitslosigkeit zutreffend gegenüber dem Rentenversicherungsträger erfolgt.

3. Diesen Anspruch kann der Arbeitslose im Wege der allgemeinen Leistungsklage gegen die Bundesagentur für Arbeit durchsetzen, wenn über diese Zeiten nicht bereits in einem Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger gestritten wird.

4. Zur Frage, ob § 125 SGB 3 zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsuchendmeldung bei § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 6 herangezogen werden kann, wenn sich der Arbeitslose nicht mehr im Leistungsbezug befindet.

 

Orientierungssatz

Wird der Arbeitlose durch eine Fehlinformation der Agentur für Arbeit davon abgehalten, die auch unter den Bedingungen des § 125 Abs 1 SGB 3 notwendige Erneuerung seines Vermittlungsbegehrens zu melden, so ist er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als hätte er dies nicht versäumt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 14. Mai 2009 dahin abgeändert, dass Anrechnungszeiten vom 24. Juni bis 29. Juli 2008 dem Rentenversicherungsträger nicht zu melden sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dazu verpflichtet ist, dem Rentenversicherungsträger die Zeit vom 18.05.2005 bis 29.07.2008 als Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers zu melden.

Der am ... 1963 geborene Kläger bezog bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog er bis 29.07.2008 nicht. Seit dem 15.10.2003 war beim Sozialgericht Leipzig (SG) eine Klage auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit anhängig (zuerst unter dem Aktenzeichen S 14 RJ 501/03 und dann unter dem Aktenzeichen S 11 RJ 501/03).

Das für die Agentur für Arbeit erstellte ärztliche Gutachten vom 08.03.2005 weist für den Kläger ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich (von unter 15 Stunden wöchentlich) aus. Am 17.05.2005 wertete eine Mitarbeiterin der Beklagten (Frau X) das Gutachten vom 08.03.2005 mit dem Kläger und seiner Ehefrau aus. In dem darüber gefertigten Aktenvermerk heißt es unter anderem:

"p.V.mit Ehefrau … Kunde ist nur noch unter 3 Std.tägl.auf dem allgem.AM zu verm.Restleistungsverm.entsprechend.Gegenw.läuft Klage vor dem Soz.’ger.auf Erhalt der Rente. … Kunde wird sich nicht mehr vor Abl. v. 3 M melden ... Mitt. an 111 betr.Abmldng.des BewA."

Am 30.07.2008 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld, nachdem er am 23.06.2008 in dem auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gerichteten, zuletzt beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) anhängig gewesenen Gerichtsverfahren gegen den Rentenversicherungsträger die Berufung zurückgenommen hatte. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 26.08.2008 lehnte die Beklagte den - nicht streitgegenständlichen - Antrag des Klägers auf Arbeitslosengeld mit der Begründung ab, er habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.

Am Tag zuvor, dem 25.08.2008 hatte der Kläger bei der Beklagten persönlich vorgesprochen und sich nach der Meldung von Anrechnungszeiten ("MAZ") erkundigt. Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zeit vom 01.01.2005 bis 17.05.2005 sei seinem Rentenversicherungsträger als beitragsfreie Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) gemeldet worden; außerdem sei eine Beendigungsmeldung für die Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug erfolgt. Die Zeit vom 18.05.2005 bis 29.07.2008 ist in den Unterlagen der Beklagten als "Zeit ohne Nachweis" vermerkt.

Gegen die Mitteilung vom 25.08.2008 legte der Kläger am 03.09.2008 Widerspruch ein. Die Mitarbeiterin X habe ihm mitgeteilt, er müsse sich, solange der die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit betreffende Rechtsstreit andauere, nicht mehr bei der Beklagten arbeitsuchend melden. Das Gutachten der Beklagten vom 08.03.2005 habe sich als unzutreffend herausgestellt, weil bei ihm im anhängig gewesenen Rentenverfahren ein Leistungsvermögen im Umfang von mindestens sechs Stunden tä...

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