Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Erledigung eines Verwaltungsakts auf andere Weise (hier: Ablauf eines durch den Grundsicherungsträger erteilten befristeten Hausverbots). Fortsetzungsfeststellungsklage. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Wiederholungsgefahr. Rehabilitationsinteresse. Menschenwürde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Versäumung der Berufungsfrist. Antrag auf Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Bescheid ist im Sinne von § 131 Abs 1 S 3 SGG anders erledigt, wenn ein nach Bescheiderlass eingetretenes Ereignis dem Bescheid die Grundlage entzogen hat und der Bescheid deshalb gegenstandlos geworden ist.

2. Für eine Wiederholungsgefahr, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen kann, reicht eine irgendwie geartete erneute Störung des Dienstbetriebes durch den Kläger nicht aus.

3. Die Verhängung eines Hausverbots verletzt in der Regel nicht die Menschenwürde (Anschluss an BVerwG vom 15.11.1979 - 2 B 66/79 = Buchholz 310 § 113 VwGO Nr 92).

4. Wenn zu einem erledigten Verwaltungsakt nicht aus anderen Gründen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht, begründet allein der Umstand, dass der Betroffene selbst die Öffentlichkeit über den Verwaltungsakt informiert hat, kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Veraltungsaktes.

 

Orientierungssatz

Ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe formgerecht beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über den Antrag solange als ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags aus dem Grunde der fehlenden Bedürftigkeit rechnen muss (vgl zB BSG vom 13.10.1992 - 4 RA 36/92 = SozR 3-1500 § 67 Nr 5). Dies ist auch der Fall, wenn der Kläger als Gewerkschaftsmitglied einen Anspruch auf kostenlosen Rechtsschutz hat. Denn es kann ihm ausnahmsweise unzumutbar sein, sich bei der Prozessführung durch einen Angestellten der gewerkschaftlichen Rechtsschutzversicherung vertreten zu lassen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 2. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein vom Beklagten gegenüber dem Kläger verhängtes Hausverbot streitig.

Der Kläger, der selbst Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) bezieht, ist 3. Vorsitzender des Vereins G… e. V. G…-Z…-C…. Er tritt vor dem Beklagten, einem Jobcenter, als Beistand im Sinne von § 13 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) für andere Leistungsempfänger von SGB II-Leistungen auf.

Der Beklagte erließ mit Bescheid vom 22. August 2013 gegenüber dem Kläger ein Hausverbot bis einschließlich 22. August 2014. Das Hausverbot wurde damit begründet, dass der Kläger bei Vorsprachen am 7. Februar 2013, am 16. Mai 2013 und am 1. Juli 2013 als Beistand aufgetreten und hierbei Mitarbeiter des Beklagten verbal lautstark, persönlich und beleidigend angegangen sei. Ferner habe er am 16. Mai 2013, 13. Juni 2013 und 1. Juli 2013 trotz entsprechender Hinweise des im Gebäude eingesetzten Sicherheitsdienstes und des Geschäftsführers des Beklagten Flyer verteilt. Dabei habe er sich am 1. Juli 2013 Zutritt zu sämtlichen Büros der Leistungsabteilung verschafft, obwohl er keinerlei Angelegenheiten in diesen Büros zu klären gehabt habe. Da gegenüber dem Kläger bereits zuvor zweimal ein Hausverbot ausgesprochen worden sei, zuletzt im Zeitraum vom 15. September 2011 bis zum 19. September 2012, sei zu befürchten, dass der Kläger bei weiterem ungehinderten Zugang zu den Diensträumen des Beklagten auch zukünftig den Dienstbetrieb erheblich stören werde. Die sofortige Vollziehung des Hausverbotes war angeordnet.

Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 19. November 2013 (Az. S 20 AS 4354/13 ER) die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen Bescheid vom 22. August 2013 angeordnet hatte, soweit dem Antragsteller als Beistand ein Hausverbot erteilt worden war, hob der Beklagte diesen Bescheid mit Bescheid vom 10. Dezember 2013 auf. Unter demselben Datum erließ der Beklagte einen neuen Hausverbotsbescheid. Das Hausverbot galt nunmehr bis zum 16. Dezember 2014. Die Begründung des Hausverbotes entsprach derjenigen im Bescheid vom 22. August 2013. Ergänzend sind Ausführungen dazu enthalten, dass kein milderes Mittel bestanden habe. Insbesondere würde mit der Zurückweisung als Beistand ein anderes Ziel verfolgt als mit einem Hausverbot. Mit der Zurückweisung als Beistand könne eine dauerhafte Beseitigung der Störung des Dienstbetriebes nicht in dem Umfang gewährleistet und erreicht werden wie mit dem Hausverbot.

Hiergegen legte die damalige Klägerbevollmächtigte mit Schrifts...

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