Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. Anlageleiden. wesentliche Mitursache. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Schlosser. Traktorist

 

Orientierungssatz

Zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule eines Versicherten, der berufsbedingt einer langjährigen vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen ausgesetzt war und anlagebedingt an einer mäßiggradigen Spondylosis leidet, als Berufskrankheit gem BKV Anl Nr 2110.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12.10.2001 und der Bescheid der Beklagten vom 16.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2000 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass beim Kläger vom 06.11.1998 bis 30.09.2003 und seit 01.11.2004 eine Berufskrankheit Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger deswegen vom 20.05.2000 bis zum 30.09.2003 und ab 01.11.2004 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v. H. zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der 1951 geborene Kläger absolvierte vom 01.09.1968 bis zum 31.07.1970 eine Lehre zum Schlosser und arbeitete vom 01.08.1970 bis zum 23.10.1970 im erlernten Beruf. Nach Absolvierung seines Wehrdienstes ging er vom 19.11.1973 bis 01.01.1974 wiederum einer Beschäftigung als Schlosser und vom 02.01.1974 bis 16.07.1990 daneben als Kraftfahrer mit Entladetätigkeit nach. 1981 trat eine Tätigkeit als Schweißverantwortlicher hinzu. Vom 05.10.1990 bis 05.11.1998 war der Kläger als Kraftfahrer tätig. Vom 06.11.1998 bis 19.05.2000 war er arbeitsunfähig geschrieben. Vom 01.06.2000 bis 30.09.2003 bezog er Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Im Zeitraum vom 01.10.2003 bis 31.10.2004 ging er einer Beschäftigung als Werkstattarbeiter und Traktorist im landwirtschaftlichen Betrieb S. J., M., nach.

Das Unternehmen B. Sitzmöbel, bei dem der Kläger vom 01.01.1991 bis 05.11.1998 beschäftigt war, gab auf Veranlassung der Beklagten an, der Kläger habe als Kraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit gearbeitet. Er habe Stuhlkartons eines Gewichts von max. 25 kg und ca. 60 kg wiegende verpackte Tische regelmäßig 10 bis 150 m 50 bis 80 x pro Schicht an 220 bis 230 Tagen im Jahr heben und tragen müssen. Von 1991 bis 1993 habe der Kläger einen LKW Daily, Fahrzeugtyp 49-10, des Unternehmens I. gefahren, von September 1993 bis Mai 1997 einen LKW ohne Pritsche 100 E 21R der Fa. I. und ab Juni 1997 einen LKW mit Pritsche des selben Unternehmens E. ML 100 E 21 FFH.

Nach der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) der Beklagten vom 27.07.1999 ergebe sich für den Zeitraum von Januar 1974 bis Oktober 1998 hinsichtlich der für eine BK-Nr. 2110 BKV relevanten Exposition eine kumulative Gesamtbelastungsdosis von 636 x 10 hoch 3. Der empfohlene Dosisrichtwert von 580 x 10 hoch 3 werde damit überschritten. Es lägen folglich die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 2110 BKV) vor. Hingegen seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK-Nr. 2108 BKV nicht gegeben.

Ausweislich seines Sozialversicherungsausweises war der Kläger vom 22.03.1982 bis 08.04.1982 wegen nicht näher bezeichneter Krankheiten des Rückens (Diagnose-Nr. 724), vom 15.01.1985 bis 25.01.1985 wegen Spondylose und verwandter Krankheiten (Diagnose-Nr. 721), vom 22.09.1997 bis 04.10.1997 wiederum wegen nicht näher bezeichneter Krankheiten des Rückens sowie Verstauchung und Zerrung des Rückens (Diagnose-Nr. 847) arbeitsunfähig geschrieben. Die AOK Sachsen nahm Stellung, vom 03.01.1996 bis 12.01.1996 habe u. a. wegen Rückenschmerzen, vom 14.08.1996 bis 30.08.1996 wegen Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS) und Spondylitis und vom 18.06.1998 bis 17.07.1998 wegen Lumbalgie und Ischialgie Arbeitsunfähigkeit bestanden.

Die Röntgenuntersuchung der LWS vom 15.08.1996 ergab eine Osteochondrose mit radikulärer Spondylose in den Segmenten L2 bis L5, besonders ausgeprägt bei L2/3 und L4/5. Der Befund überstieg deutlich das altersübliche Maß. Am 15.06.1998 rutschte der Kläger beim Vorziehen von Möbel auf der Ladefläche seines LKW mit dem linken Fuß weg, verdrehte sich und schlug mit der linken Seite seines Körpers auf. Es trat sofort ein stechender Schmerz ein. Am 16.06.1998 suchte er Dr. J1. auf. Der Röntgenbefund vom 03.07.1998 ergab eine Zwischenwirbelraumverschmälerung der Segmente L2/3 und L5/S1 mit ventralen Randzackenbildungen, eine beginnende Spondylosis deformans und einen Morbus Baastrup. Bei der MRT-Untersuchung vom 19.11.1998 wurde eine breitbasige Protrusion am Segment L4/5 mit de...

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