Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Feststellungsklage. Schadensersatz aufgrund der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung nach § 840 Abs 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Die nach Abgabe der Drittschuldnererklärung geänderte Klage auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die verspätete Drittschuldnererklärung entstanden ist, ist statthaft. Die Klage ist nur in dem Umfang begründet, als die Klägerin den Schaden geltend macht, der ihr durch die Erhebung einer unbegründeten Leistungsklage entstanden ist. Über die Gerichtskosten und notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten hinaus steht der Klägerin kein Anspruch auf Schadenersatz zu. Insbesondere besteht kein Anspruch auf Schadenersatz aufgrund unterlassener Pfändungen bei Dritten und für vorgerichtlich aufgewandte Mahnkosten.
Orientierungssatz
1. Erteilt der Drittschuldner nach Zugang der Aufforderung zur Erklärung nach § 840 Abs 1 ZPO dem Gläubiger keine Antwort, kann dieser ohne weiteres davon ausgehen, dass die gepfändete Forderung beigetrieben werden kann. Weder bedarf es einer weiteren vorprozessualen Aufforderungshandlung des Gläubigers noch einer gesonderten Auskunftsklage (vgl BGH vom 4.5.2006 - IX ZR 189/04 = MDR 2006, 1370).
2. Zur hier ausnahmsweise nicht erforderlichen Durchführung eines Vorverfahrens nach § 78 SGG.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. September 2013 abgeändert. Die Beklagte hat die der Klägerin durch ihre Klage auf Zahlung von 1000 EUR notwendig entstandenen Prozesskosten zu tragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten für das gesamte Verfahren tragen die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
IV. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Leipzig vom 17. September 2013 für das gesamte Verfahren auf 3.520 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wege der Feststellungsklage über eine Schadenersatzforderung aufgrund der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung.
Die Klägerin ist ein Kreditinstitut und im Besitz zweier vollstreckbarer Titel gegen den am … 2015 verstorbenen Schuldner K…-D… S…. Aufgrund dieser Titel erwirkte sie einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts L… am R… vom 31. März 2011 (Az. 6 M 657/11) über einen Gesamtbetrag von 4.079,74 EUR zzgl. Zinsen von 0,36 EUR pro Tag gegen die Beklagte. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten mit Zustellungsurkunde vom 19. April 2011 durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt und die Beklagte darin nach § 840 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Abgabe einer Drittschuldnererklärung binnen zwei Wochen aufgefordert (Bl. 11 Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 8. August 2011 (Eingang am 11. August 2011) forderte die Klägerin die Beklagte zur Überweisung der Forderung zzgl. Zustellungskosten für den Gerichtsvollzieher in Höhe von 24,95 EUR und Anwaltskosten für das Mahnschreiben in Höhe von 446,13 EUR bis zum 22. August 2011 auf.
Mit der vor dem Sozialgericht Leipzig am 9. September 2011 erhobenen Klage begehrte die Klägerin zunächst Zahlung von 1.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wegen unterlassener Drittschuldnererklärung. Aufgrund ihrer Schadensminderungspflicht gehe sie nur von einem monatlich pfändbaren Betrag von 200 EUR aus und mache mit der Klage die pfändbaren Beträge für die Monate April bis August 2011 geltend. Die Beklagte sei wegen der unterlassenen Erklärung ihren gesetzlichen Verpflichtungen gemäß § 840 ZPO nicht nachgekommen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des BGH sei bei einem schweigenden Drittschuldner davon auszugehen, dass die gesamte Forderung, wie sie im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verkörpert sei, zu Recht geltend gemacht werde und in voller Höhe erhoben werden könne. Solange der Drittschuldner keine Drittschuldnererklärung abgebe, könne der Betrag ohne jedes Kostenrisiko eingeklagt werden. Auf die Fälligkeit der Leistung komme es nicht an.
Mit Schreiben an die Klägerin vom 22. September 2011 teilte die Beklagte mit, der Schuldner erhalte keine Leistungen und die Pfändung sei vorgemerkt. Daraufhin hat die Klägerin am 14. November 2011 beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die verspätet Drittschuldnererklärung entstanden ist (Bl. 17 Gerichtsakte). Mit Bescheid vom 21. November 2012 hat die Beklagte dem Schuldner ab dem 1. November 2012 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit - unterhalb der Pfändungsfreigrenze - in Höhe von 107,28 EUR monatlich bewilligt (Bl. 32 Gerichtsakte). Am 30. November 2012 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Drittschuldnererklärung abgegeben. Die gepfändete Forderung wurde als begründet anerkannt, nach der Tabelle zu § 850c ZPO ergebe sich jedoch kein pfändbarer ...